Wie viel Zucker brauchst du noch?

Autor/in: , Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit

Donnerstag, 25. Januar 2018

Zur Prävention von Übergewicht und Diabetes haben verschiedene große Lebensmittelhandelsketten angekündigt, den Zuckergehalt ihrer Lebensmittel zu reduzieren. Verbraucherschützern gehen die angekündigten Schritte allerdings nicht weit genug.

Laut Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sollte ein Erwachsener pro Tag maximal 50 Gramm Zucker zu sich nehmen. Die tatsächliche Aufnahme liegt dagegen fast doppelt so hoch. Wer seinen Zuckerkonsum reduzieren möchte, stößt jedoch schnell auf Probleme. Zum einen dauert es eine Weile, bis sich der eigene Geschmackssinn auf den geringeren Süßegrad eingestellt hat. Zum anderen wird der Zucker meist nicht selbst zugefügt, sondern ist bereits beim Lebensmitteleinkauf in fertigen Produkten enthalten. Dies betrifft nicht nur süße Lebensmittel, Zucker „versteckt“ sich auch in vielen anderen Lebensmitteln. „Zum Beispiel ist im Krautsalat wirklich sehr viel Zucker drin“, nennt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg ein Beispiel. „Wenn man sich vorstellt, eine Portion von 200 bis 300 Gramm, da hat man dann sechs bis sieben Zuckerwürfel [ca. 18 bis 21 Gramm Zucker] in diesem Produkt drin. Das ist doch erstaunlich.“

Die anhaltende Kritik von Gesundheitsorganisationen und Verbraucherschützern sowie das zunehmende Gesundheitsbewusstsein der Verbraucher scheinen nun allerdings auch beim Lebensmitteleinzelhandel Früchte zu tragen. So kündigte die Rewe Group, die auch über das Sortiment in Penny-Discountern entscheidet, aktuell an, in diesem Jahr den Zuckergehalt von mindestens 100 Produkten ihrer Eigenmarke zu reduzieren. Der Grundstein für die Veränderung wurde aktuell im Kühlregal mit einem Schokopudding in Szene gesetzt. Dabei hat sich der Handelsriese eine interessante Mischung aus Marketing und Marktforschung einfallen lassen. Unter dem Slogan „Wie viel Zucker brauchst du noch?“ bietet Rewe seinen Kunden einen Viererpack des Schokopuddings „REWE Deine Wahl“ an, wobei der Zuckergehalt in jedem Becher variiert. Ausgehend vom ursprünglichen Zuckergehalt befinden sich in den anderen Bechern Rezepturen mit zwanzig, dreißig und vierzig Prozent weniger Zucker. Die Kunden können dann im Internet darüber abstimmen, welche Variante zukünftig vermarktet wird. Allerdings ist das Ende dieses Abstimmungsprozesses offen: „Wenn die Kunden am Ende die Originalrezeptur wollen, werden wir dem entsprechen. Wir wollen die Zuckerreduktion nicht auf Kosten des Geschmacks machen“, betont Rewe-Einkaufschef Hans-Jürgen Moog. Aufgrund des zunehmenden Gesundheitsbewusstseins in der Bevölkerung wird aber eher davon ausgegangen, dass eine der zuckerreduzierten Varianten das Rennen für sich entscheiden wird.

Bis die ersten zuckerreduzierten Produkte dauerhaft im REWE-Sortiment verfügbar sind, wird es wohl noch etwas dauern. Manon Struck vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde, dem Spitzenverband der Lebensmittelwirtschaft erklärt: „Zucker, Fett und Salz sind ja nicht nur Geschmacksträger, sondern sie erfüllen auch eine Reihe von technologischen Eigenschaften, zum Beispiel hinsichtlich der Haltbarkeit und der Beschaffenheit von Lebensmitteln. Das heißt, man muss von Produkt zu Produkt schauen, wie man eine bestehende Rezeptur überhaupt überarbeiten kann und zwar so, dass sie von den Verbraucherinnen und Verbrauchern auch noch angenommen wird und dass sie noch schmeckt.“ Neben Rewe hat übrigens auch Lidl angekündigt, bis 2025 den zugesetzten Zucker und das zugesetzte Salz in seinen Eigenmarken um ein Fünftel (20 Prozent) zu reduzieren und auch Edeka und Aldi überarbeiten nach eigener Aussage ihre Rezepturen.

Die sich abzeichnenden Veränderungen müssten doch insbesondere Verbraucherschützer von Foodwatch und den Verbraucherzentralen freuen. – Oder? Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg äußert dennoch Zweifel. Prinzipiell sei es natürlich zu begrüßen, wenn die Unternehmen versuchten mitzuhelfen, den Zuckerkonsum zu senken. Doch reiche dies bei weitem nicht aus. Hier sei der Gesetzgeber gefordert, meint Valet. „Wenn man in ein hochgezuckertes Müsli 20 Prozent weniger Zucker reintut, wird es nicht viel gesünder“, begründet Valet. Daher sei eine klare Ampel-Kennzeichnung bei Lebensmitteln erforderlich, die dem Verbraucher auf den ersten Blick ermögliche, den Zuckergehalt eines Produkts einzuordnen.

Oliver Huizinga von der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch geht in seinen Forderungen noch weiter. So verlangt er: „Die Politik muss Rahmenbedingungen für alle setzen. Dabei geht es nicht nur um die Zuckerreduktion und die Kennzeichnung des Zuckergehalts in Lebensmitteln, sondern auch um die Werbung für stark zuckerhaltige Artikel – besonders wenn sie auf Kinder zielt.“ Foodwatch schlägt ferner vor, dem Beispiel Großbritanniens zu folgen, wo Hersteller seit diesem Jahr eine Sonderabgabe für Getränke zahlen müssen, die mehr als fünf Prozent Zucker enthalten.

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verfasst von am 25. Januar 2018 um 07:42

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