Wissenschaftler warnen vor Fruktose in Muttermilch
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Mittwoch, 26. April 2017
Bereits sehr geringe Konzentrationen von Fruktose in der Muttermilch erhöhen das Körpergewicht, die fettfreie Masse und die Fettmasse von Säuglingen.
In Lebensmitteln vorkommende Zuckerarten wie Fruktose begünstigen die Entstehung von Übergewicht bis hin zu Fettleibigkeit (Adipositas) bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. „Wir wissen sehr wenig darüber, warum einige Kinder letztendlich übergewichtig oder fettleibig werden“, erläutert Prof. Michael Goran vom Institut für Präventive Medizin an der Universität von Südkalifornien. „Es ist wichtig, dass wir erforschen, was in der frühesten Entwicklung stattfindet. Auf diese Weise ließe sich festzustellen, ob irgendetwas kurz nach der Geburt getan werden könnte, um ihr Risiko zu senken.“
In Muttermilch ist natürlicherweise der Milchzucker Laktose enthalten. Abhängig von der Ernährung der Mutter ist es denkbar, dass weitere Zuckermoleküle in der Muttermilch anzutreffen sind. Fruktose ist natürlicherweise in Obst und Gemüse, Fruchtsäften, Honig und Marmelade enthalten, aber auch in Fertigprodukten, handelsüblichen Broten und Brötchen, Limonaden und Cola und Lightprodukten. Bislang war nicht bekannt, ob und in welchen Konzentrationen Muttermilch Fruktose enthält und welche Auswirkungen dies auf das Körpergewicht und die Körperzusammensetzung von Säuglingen hat.
Daher analysierten Prof. Goran und seine Kollegen den Gehalt von Laktose, Fruktose und Glukose (Traubenzucker) in der Muttermilch von 25 jungen Müttern. Die Wissenschaftler interessierten sich dabei nicht nur für die Konzentration der verschiedenen Zuckerverbindungen, sondern auch für den Zusammenhang zwischen dem Zuckergehalt und der Veränderung des Körpergewichts sowie der Körperzusammensetzung der Säuglinge nach dem ersten und sechsten Lebensmonat.
Erwartungsgemäß war Laktose mit durchschnittlich 7,6 Gramm pro 100 Milliliter Muttermilch die mit Abstand am meisten enthaltene Zuckerverbindung, gefolgt von Glukose (255,2 Mikrogramm/100 Milliliter Muttermilch) und Fruktose (6,7 Mikrogramm/100 Milliliter Muttermilch). Trotz dieser unvorstellbar geringen Fruktosekonzentration fanden die Forscher positive Zusammenhänge zwischen dem Fruktosegehalt der Muttermilch und dem Körpergewicht sowie der Fettmasse und fettfreien Masse der damit gestillten Kinder: Jeder Anstieg des Muttermilch-Fruktosegehalts um ein Mikrogramm führte zu einem 257 Gramm höheren Körpergewicht, einer 170 Gramm höheren fettfreien Masse und einer tendenziell um 131 Gramm höheren Fettmasse der Säuglinge im Alter von sechs Monaten. Dagegen bestand kein Zusammenhang zwischen dem Laktose- beziehungsweise dem Glukosegehalt der Muttermilch und den untersuchten Zielgrößen.
„Das frühe Leben ist eine Phase der raschen Entwicklung und die frühe Ernährung ist stark mit langfristigen gesundheitlichen Ergebnissen verbunden“, erläutert die Koautorin der Studie, Dr. Tanya Alderete. Bereits sehr geringe Fruktosemengen in Muttermilch können den kindlichen Stoffwechsel schädigen, warnt Alderete. Über welche Stoffwechselwege dies geschehen könnte, ist bislang nicht bekannt. Denkbar sei beispielsweise, dass sich durch die Fruktoseaufnahme Vorstufen von fettspeichernden Zellen zu reifen Zellen weiterentwickeln, was wiederum das Risiko des Säuglings erhöht, in seinem späteren Leben einmal übergewichtig oder adipös zu werden.
„Wir wissen, dass die Entscheidung zum Stillen oder für industrielle Säuglingsanfangsnahrung Auswirkungen auf die spätere Gesundheit haben kann. Die Ergebnisse dieser Arbeit deuten darauf hin, dass die Zusammensetzung der Muttermilch ein weiterer wichtiger Faktor für die Säuglingsgesundheit sein kann.“ Dennoch sollen die Ergebnisse dieser Studie junge Mütter nicht vom Stillen abhalten. Dr. Alderete betont, dass das Stillen nach wie vor die ideale Form der Säuglingsernährung darstellt. Ihr Kollege Prof. Goran ergänzt: „Junge Mütter können verhindern, dass sie Zucker aus ihrer Ernährung an ihrer Kinder weitergeben, indem sie während der Schwangerschaft und der Stillzeit weniger Zucker zu sich nehmen. Die Bezugspersonen können Babys und Kinder vor schädlichen Wirkungen von Zucker schützen, indem sie Säuglingsnahrung, Babynahrung und Snacks sorgfältig ohne Zucker oder Süßungsmittel auswählen.“
Bislang ist allerdings noch nicht bekannt, ob tatsächlich eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen der Fruktoseaufnahme der Mutter über Lebensmittel und Getränke und der Konzentration der Zuckerverbindung in der Muttermilch besteht. Außerdem war die Studie mit insgesamt 25 Mutter-Kind-Paaren sehr klein konzipiert, was die Validität der Ergebnisse einschränkt. Die Autoren selbst sprechen von einer Pilotstudie und so darf man gespannt sein, wie lange die Ergebnisse der Hauptstudie auf sich warten lassen.
Quellen einblenden
- University of Southern California (2017): From mother to baby: ‘Secondhand sugars’ can pass through breast milk. Pressemitteilung vom 02.03.2017.
- M. I. Goran, A. M. Martin, T. L. Alderete et al. (2017): Fructose in breast milk is positively associated with infant body composition at 6 months of age. Nutrients 9: E146
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 26. April 2017 um 06:06
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umso mehr wäre ein Verbot von Fructose-Glucose-Sirup in Fertiglebensmitteln wünschenswert. Ich stelle fest, dass in sämtlichen gesüßten Getränken, Milchprodukten und Süßigkeiten dieser vermehrt enthalten ist. Der Verbraucher aber völlig ohnmächtig ist und gar nicht weiß, dass z.B. eine Fettleber auch auf den übermäßigen Verzehr von Fructose zurückzuführen ist.