Diabetes mellitus - Folgeschäden
Ziele
Das wichtigste Ziel jeder Diabetes-Therapie ist es, möglichst normale Blutzucker-Werte zu erreichen und extreme Blutzuckerschwankungen (Hypo- oder Hyperglykämien) zu vermeiden. Ferner sollte der HbA1c-Wert ("Blutzuckergedächtnis"), der Aufschluss über die Blutzuckerwerte der letzten 3 Monate gibt, unter 6,5% liegen. Während Unterzuckerungen vorwiegend zu einer Schädigung der Gehirnzellen führen, können zu hohe Blutzuckerwerte eine Vielzahl an Folgeerkrankungen auslösen.
Makroangiopathie (diabetische)
Schädigung der großen Gefäße
Hierunter versteht man eine Durchblutungsstörung der großen Gefäße, die der Arteriosklerose des Nicht-Diabetikers entspricht, jedoch stärker, häufiger und früher auftritt.
Die Makroangiopathie begünstigt die Entstehung von Schlaganfall, Herzinfarkt und arterieller Verschlusskrankheit (aVK). Neben Rauchen und Bewegungsmangel ist Diabetes mellitus - v.a. in Kombination mit weiteren Risikofaktoren (Bluthochdruck, Störungen des Fettstoffwechsels) - an der Entstehung beteiligt.
Mikroangiopathie (diabetische)
Schädigung der kleinen Gefäße
Unter einer Mikroangiopathie versteht man eine Durchblutungsstörung der kleinen Blutgefäße. Je nachdem, wo diese Erkrankung auftritt, unterscheidet man zwischen der Retinopathie (Augen) und der Nephropathie (Nieren).
Retinopathie
Die (diabetische) Retinopathie ist eine chronische, durch Diabetes mellitus ausgelöste Durchblutungsstörung der Netzhaut, die das Sehen beeinträchtigt und unter Umständen zur Erblindung führen kann.
Durch die diabetische Stoffwechsellage verändern sich die Blutgefäße in der Netzhaut. Die Stabilität nimmt ab und sie verliert ihre Fähigkeit, das Gefäßinnere gegen das umliegende Gewebe abzudichten. Gleichzeitig nimmt aber die Wanddicke der Gefäße zu, so dass der Innendurchmesser der Gefäße kleiner wird. Diese Veränderungen führen dazu, dass es einerseits zu "Aussackungen" und undichten Stellen an den Blutgefäßen kommt, so dass Blut oder Blutbestandteile austreten können, andererseits aber auch Gefäßverschlüsse auftreten. Die Folge ist eine chronische Durchblutungsstörung der Netzhaut.
Im weiteren Verlauf bilden sich krankhaft neue Blutgefäße, die aus der Netzhaut in den Glaskörper (Augeninnenraum) wuchern. In diesem Stadium ist das Sehvermögen bereits stark gefährdet. Aus den Gefäßwucherungen kommt es zu Blutungen (Glaskörperblutungen), die die Sehachse verlegen und so zu einer plötzlichen Sehverschlechterung führen können. Gleichzeitig können sich Gewebestränge bilden, die sich zusammenziehen und wie "Zugseile" die Netzhaut von ihrer Unterlage, der sie ernährenden Aderhaut, ablösen können. Diese Form bezeichnet man als proliferative diabetische Vitreo-Retinopathie. Wird ihrer Entwicklung nicht Einhalt geboten, führt sie unweigerlich zur Erblindung. Nach 10 - 15 Jahren haben ca. 80% der Diabetiker eine Durchblutungsstörung der Netzhaut.
Nephropathie
Die Nephropathie ist eine durch Diabetes mellitus verursachte Veränderung der Nierengefäße, die zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion führt.
Erstes Anzeichen ist die Ausscheidung von kleinsten Eiweißmengen mit dem Urin. Von einer Mikroalbuminurie spricht man bei einer Eiweißausscheidung zwischen 20-200mg/l oder 30-300mg in 24 Stunden je nach verwendetem Testkit.
Die Albuminausscheidung im Urin kann jedoch auch durch andere Einflüsse wie z.B. Sport, schlechte Stoffwechsellage oder einen Harnwegsinfekt vorübergehend erhöht sein. Es wird erst dann von einer Mikroalbuminurie gesprochen, wenn 2 von 3 Urinproben positiv sind. Diese kann sich durch eine Normalisierung des Blutzuckers und des Blutdrucks sowie durch eine Reduktion der Eiweißmenge in der Ernährung zurückbilden. Bei einer Makroalbuminurie (bei Werten über 200mg/l oder über 300mg/l in 24 Stunden) ist dies nicht mehr möglich.
Wenn die beschriebenen therapeutischen Maßnahmen im Stadium der Mikroalbuminurie konsequent durchgeführt werden, kann eine Verschlechterung über lange Zeit verhindert werden. Nimmt die Nierenfunktion weiter ab, können bestimmte Stoffwechselprodukte nicht mehr in ausreichendem Maße über die Niere ausgeschieden werden. Man spricht dann von einer Niereninsuffizienz, die in ihrem terminalen Stadium eine Dialysebehandlung notwendig macht.
Neuropathie (diabetische)
Hierunter versteht man die Gesamtheit verschiedener, durch den Diabetes verursachen Nervenstörungen. Man unterscheidet zwischen folgenden Formen.
Periphere Neuropathie
Die periphere Neuropathie ist eine nervenbedingte Störung des Temperatur- und Schmerzempfindens an den Extremitäten.
Sie tritt meist als Empfindungsstörung an beiden Füßen auf. Der Gefühlsverlust wird von einem Fehlen der Sehnenreflexe begleitet. Häufig ist auch eine motorische Störung festzustellen, die sich in einer Schwäche und Rückbildung der kleinen Fußmuskulatur zeigt. Dadurch kommt es zu Veränderungen des Fußes mit Fehlstellungen. Aufgrund der nicht wahrgenommenen Beschwerden kommen die Betroffenen meistens erst zum Arzt, wenn bereits eine Verletzung vorhanden ist.
Unangenehm ist die schmerzhafte Nervenstörung, die sich vornehmlich in der Nacht mit einem Gefühl von Pelzigkeit, Spannung , Fußsohlenbrennen oder starkem Kribbeln äußert. Diese Patienten entwickeln jedoch seltener diabetische Fußgeschwüre (Gangrän).
Liegt gleichzeitig eine autonome Nervenstörung vor, kann es an den Füßen als Folge einer verminderten Schweißbildung zu erhöhter Austrocknungsgefahr der Fußhaut, starker Hornhautbildung und Rissen kommen.
Außerdem gibt es vermehrt Veränderungen in der Haut (Pergamenthaut) und den Nägeln (eingerissene, brüchige Nägel). Es treten häufiger Wasseransammlungen im Gewebe auf, die wiederum eine Geschwürbildung begünstigen.
Eine wichtige diagnostische Untersuchung ist der Stimmgabeltest. Er gibt Auskunft über das Vibrationsempfinden der Nerven an den Füßen.
Eine periphere Neuropathie gilt heute noch als unheilbar. Jedoch lassen sich mit einer besseren Blutzuckereinstellung und einer gesunden Lebensführung die evtl. aufgetretenen Schmerzen lindern und eine Verschlechterung der Erkrankung verhindern.
Die Füße sind durch unbemerkte Verletzungen besonders gefährdet. Bereits kleine Verletzungen, bei der Fußpflege oder durch Druck der Schuhe zugezogen, können sich entzünden und damit den Fuß gefährden.
Autonome Neuropathie
Bei der autonomen Neuropathie liegt eine Störung der Nerven vor, die die inneren Organe versorgen. Von den häufig unspezifischen Symptomen können alle Organsysteme betroffen sein, wie z.B. Magen-Darm-Trakt (Magenentleerungsstörungen, Übelkeit), Herz (Verringerung der Herzfrequenzvariabilität), Sexualorgane (erektile Dysfunktion) und Blase (Entleerungsstörungen).
Prävention
Vermeidung diabetischer Folgeschäden
1. Regelmäßige Selbstkontrollen (Urinzucker/Blutzucker)
2. Gewichtsreduktion bei Übergewichtigen
3. Blutdruckkontrolle (Ziel: normaler Blutdruck)
4. Tägliche Kontrolle der Füße, diabetische Fußpflege, geeignetes Schuhwerk
5. Alle 3 Monate Kontrolle des HbA1c -Wertes
6. Mindestens 1x pro Jahr:
- Augenärztliche Untersuchung
- Überprüfung der Nierenfunktion
- Untersuchung der Gefäße
7. Behandlung und Kontrolle weiterer Risikofaktoren (z.B. Cholesterin)
Quelle: Evidenzbasierte Diabetes-Leitlinien des Deutschen Diabetes-Gesellschaft 2004