Essstörungen - Bulimia nervosa
Definition
Bei der Ess-Brech-Sucht handelt es sich um eine Essstörung, die durch den Wechsel von Essanfällen und Versuchen der Gewichtsreduktion gekennzeichnet ist. Charakteristisch ist der Kontrollverlust während der Fressattacken, bei denen bis zu 20.000 kcal (!) verschlungen werden.
Die häufigsten Maßnahmen, die unternommen werden, um die exzessive Nahrungs- und Energiezufuhr auszugleichen, sind Erbrechen und der Missbrauch von Abführmitteln und Diuretika (purging-Typ) sowie andere unangemessene kompensatorische Verhaltensweisen wie Fasten oder exzessiver Sport (non-purging-Typ). Im Gegensatz zur Magersucht wird die Bedrohung durch die Krankheit wahrgenommen und der Zustand als unangenehm empfunden.
Abb.: Bulimischer (Teufels-)Kreis
Von einer Bulimie können sowohl Unter- als auch Übergewichtige betroffen sein. Da sich viele Betroffene ihrer Krankheit schämen, muss von einer relativ hohen Dunkelziffer ausgegangen werden. Schätzungen zufolge leiden etwa 3 Prozent der jungen Frauen an Bulimie.
Diagnose
Die Bulimia nervosa weist zwar Gemeinsamkeiten mit der Anorexie auf (krankhafte Beschäftigung mit dem eigenen Körper), jedoch gibt es auch einige Unterschiede. Um diese zu verdeutlichen, sind die Kriterien für die Diagnose der Bulimia nervosa in der folgenden Abbildung zusammengefasst.
Diagnostische Kriterien der Bulimia nervosa (DSM-IV-Kriterien)
- Fressanfälle
- wiederholte Fressattacken mit hastigem Herunterschlingen der Nahrung
- Kontrollverlust
- die Betroffenen haben das Gefühl, nicht mit dem Essen aufhören zu können
- Kompensationsverhalten
- um eine Gewichtszunahme zu vermeiden, erfolgen regelmäßig Maßnahmen wie Erbrechen, Diäten, übertriebener Sport, Missbrauch von Abführmitteln (Laxanzien) und Diuretika (harntreibende Medikamente)
- Häufigkeit der Fressanfälle
- mindestens zwei Fressanfälle pro Woche über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten
- Körperschema
- andauernde, übertriebene Beschäftigung mit Figur und Gewicht
- Störung
- tritt nicht ausschließlich während einer Phase der Anorexia nervosa auf
- - Subtyp -
- Abführender Typ (purging subtyp)
- regelmäßig selbst-herbeigeführtes Erbrechen oder Missbrauch von Abführmitteln, Diuretika oder Einläufen
- Nicht-abführender Typ (non-purging subtyp)
- anderes unangemessenes Kompensationsverhalten wie Fasten, exzessiver Sport, jedoch kein Erbrechen oder Missbrauch von Abführmitteln
Für die Diagnose ist eine ausführliche Anamnese erforderlich. Häufig findet sich ein gezügeltes, rein vom Kopf gesteuertes Essverhalten (engl.: restrained eating) in Kombination mit zahlreichen Diäten. Viele Patienten essen morgens und mittags nichts bzw. nur sehr wenig, woraus abends ein unerträglicher Heißhunger resultiert.
Der Heißhunger hat zum einen physiologische Gründe, denn durch den Abfall des Blutzuckerspiegels reagiert der Körper mit Hunger. Zum anderen können auch psychologische Faktoren eine Rolle spielen. Während die Patienten tagsüber auf der Arbeit abgelenkt und in Gesellschaft sind, können Einsamkeit, Frust oder andere emotionale Belastungen dazu führen, dass abends versucht wird, diese Probleme mit Fressattacken zu kompensieren.
Auswirkungen auf den Körper
Die negativen Auswirkungen der Bulimie sind sowohl auf die Fastenperioden als auch auf das bei dieser Erkrankung typische Verhalten zurückzuführen. Die hormonellen Störungen ähneln in abgeschwächter Form denen der Magersucht.
Kaliummangel
Der durch die Mangelernährung meist vorliegende Kaliummangel wird durch die Kaliumverluste verstärkt, die durch das Erbrechen entstehen. Dies erhöht weiter das Risiko von lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen bzw. eines Herzstillstandes.
Mundhöhle
Der Kontakt von Magensäure mit der Mundhöhle hat ebenfalls negative Auswirkungen. Durch die Säure wird der Zahnschmelz angegriffen und geschädigt, was zu einer Entmineralisierung der Zähne führt. Dennoch ist die Karieshäufigkeit nur leicht erhöht, da die meisten Betroffenen anschließend ihre Zähne putzen, um den unangenehmen Geschmack zu beseitigen. Das Eindringen von Magensäure in die Speicheldrüsen kann dort Entzündungen und Schwellungen hervorrufen.
Therapie
Bei der Therapie der Bulimia nervosa steht zunächst die Normalisierung des Essverhaltens im Vordergrund. Für unterernährte Bulimiker gelten die unter dem Abschnitt Anorexie aufgeführten Ernährungsempfehlungen.
Bei der Veränderung des Essverhaltens ist die verhaltenstherapeutische Unterstützung von besonderer Bedeutung. Im Rahmen eines Esstrainings werden die "normalen" Verhaltensweisen einstudiert, geübt und durch entsprechende Aufklärungsmaßnahmen unterstützt (engl.: nutritional counselling).
Nach der Normalisierung des Essverhaltens gewinnt die Therapie der ursächlichen Probleme an Bedeutung. Dazu zählen in erster Linie die gestörte Körperwahrnehmung, der Bezug zu Gewicht und Figur sowie die Stressbewältigung. Erst wenn die psychischen Probleme überwunden sind, können Rückfälle vermieden bzw. reduziert werden.
Auch hier ist eine psychologische Unterstützung erforderlich. Das Austauschen von Informationen mit Betroffenen kann ebenfalls sehr nützlich sein. Hierfür sind auch Selbsthilfegruppen geeignet, die es in jeder größeren Stadt gibt.