Essverhalten - Setpoint-Theorie

Der Setpoint bezeichnet ein biologisch ideales Körpergewicht. Übergewichtige haben einen höheren Setpoint als Normalgewichtige. Aufgrund des gängigen Schlankheitsideals versuchen viele Menschen, ihr Gewicht unterhalb ihres Setpoints zu halten. Das bedeutet, dass nach dieser Theorie Menschen gesellschaftlich als übergewichtig angesehen werden, nach biologischen Kriterien aber können sie untergewichtig und unterversorgt sein.

Homöostase

Die Grundlage der Setpoint-Theorie ist die Homöostase. Homöostase bezeichnet einen Zustand des Körpers, der nicht ohne weiteres verändert werden kann (steady state), da er durch physiologische und psychologische Mechanismen stabilisiert wird.

Wäre dem nicht so, müssten sich kleinste Schwankungen in der Energiezufuhr, z. B. 50 kcal am Tag zu viel / zu wenig, in einer Zu- bzw. Abnahme des Körpergewichts äußern.

Das Körpergewicht ist also nicht beliebig manipulierbar. Die Homöostase, also die Aufrechterhaltung eines konstanten, optimalen Milieus, beschreibt nicht einen genau festgelegten Punkt, sondern einen spezifischen Wertebereich, in dem Stabilität besteht. Erst wenn diese Grenzen überschritten werden, müssen Ausgleichungsprozesse eingeleitet werden, damit die Homöostase nicht bedroht wird.

Wirkmechanismus

Durch den Setpoint wird nicht direkt das Körpergewicht reguliert, sondern die Energiezufuhr und der -verbrauch.

Durch Einschränkung der Nahrungszufuhr kommt es zu einer Reduzierung des Energieverbrauchs, die wesentlich höher ist, als die Abnahme an Körpergewicht vermuten lässt. Durch die erwähnten Gegenregulationen reagiert der Körper bei Verminderung der Energiezufuhr nicht unmittelbar mit Gewichtsverlust, sondern er reduziert zunächst den Stoffwechsel. Dies erklärt, warum es auch bei wiederholten Diäten schwierig ist, vom eigentlichen Gewicht herunter zu kommen. Auch für den Jojo-Effekt und die Entwicklung eines gestörten Essverhaltens kann die Setpoint-Theorie einen Erklärungsansatz bieten.

Die folgende Tabelle gibt eine zusammenfassende Darstellung.

Psychologische Ebene
(Verhalten und Erleben)
Physiologische Ebene
(Energiestoffwechsel)
Somatische Ebene
(Körpergewicht)
Ungezügeltes, spontanes Essverhalten (Non-Dieter) Ausgeglichene Energiebilanz: Energieaufnahme und Energiebedarf stimmen überein Körpergewicht stabil: Setpoint-Gewicht
Gezügeltes Essverhalten (Diät, FDH etc.) Negative Energiebilanz: Aufnahme geringer als Verbrauch Initiale Gewichtsabnahme unter das Setpoint-Gewicht
Zunehmend Schwierigkeiten im Essverhalten: Außenreizabhängigkeit, Stressessen, Heißhunger verzögerte Sättigung etc. Ausgeglichene Energiebilanz auf reduziertem Niveau durch Anpassung des Verbrauchs an Zufuhr Stabilisierung des Gewichts unterhalb des Setpoints im neuen Steady State
Abbruch des Diätverhaltens, Rückkehr zum spontanen Essverhalten Positive Energiebilanz: Aufnahme übersteigt den reduzierten Verbrauch Gewichtszunahme bis zum Setpoint-Gewicht oder darüber hinaus

Quelle: Pudel / Westenhöfer: Ernährungspsychologie. 1998. S. 103

Kritik

Nach der Setpoint-Theorie ist das Körpergewicht also weitgehend biologisch festgelegt. Es besteht die Vermutung, dass sich Adipöse häufig im Hungerzustand befinden, weil sie aufgrund des sozialen Drucks versuchen, unterhalb ihres Setpoints, der im adipösen Bereich liegen kann, zu bleiben. Jedoch vernachlässigt diese Theorie physiologische Tatsachen. Durch Veränderungen des Gewichts und der Körperzusammensetzung ändert sich auch der Energieverbrauch. Dieser wird überwiegend vom Anteil der fettfreien Körpermasse bestimmt. Wird zuviel Energie zugeführt, kommt es zur Gewichtszunahme, wobei 1 kg Zunahme sich auf 750 g Fett (6750 kcal) und auf 250 g fettfreie Masse (250 kcal) verteilt.

Dementsprechend werden für eine Gewichtszunahme von 1 kg zusätzliche 7000 kcal benötigt. Die Veränderung der Körperzusammensetzung führt nun wiederum zu einem veränderten Energieverbrauch, so dass sich Zufuhr und Verbrauch langsam annähern.