Essverhalten - Gezügeltes Essverhalten

Beim gezügelten Essverhalten geht es darum, die Nahrungsaufnahme einzuschränken, damit das gegenwärtige Gewicht gehalten, bzw. damit an Gewicht abgenommen werden kann. Es ist ein Verhaltensmuster, bei dem die Nahrungsaufnahme durch kognitive Kontrolle und nicht durch Hunger oder Appetitsignale reguliert wird. Gezügeltes Essen kann sich in lebenslangem Diäthalten, aber auch in wiederholten Phasen kurzzeitiger Diäten äußern.

Bei gezügeltem Essverhalten werden Kohlenhydrate und Eiweiß vermehrt zugeführt, der Fett- und Zuckerkonsum hingegen wird eingeschränkt. Untersuchungen zeigen, dass gezügelte Esser, im Gegensatz zu ungezügelten Essern, bei negativer Stimmung dazu neigen, mehr zu essen als bei positiver oder neutraler Stimmung.

Gezügelte Esser sind jedoch keine homogene Gruppe. Nicht alle weisen Essanfälle oder andere Störungen im Essverhalten auf. Gezügeltes Essen ist weit verbreitet, schon bei Kindern gibt es Anzeichen von gezügeltem Essverhalten.

Hypothesen

  • Gezügelte Esser essen mehr, wenn die selbst auferlegte Nahrungsbeschränkung unterbrochen wird,
  • eine erhöhte Externalität ist die Folge des gezügelten Essens.

Externalität bedeutet, dass Personen in ihrem Essverhalten stark von äußeren Reizen beeinflusst werden. Die Betroffenen können anscheinend nur schwer widerstehen, wenn sie sichtbaren Essreizen ausgesetzt werden. Innere Reize hingegen nehmen sie kaum war. Der Verlust des Appetits im Lauf einer Mahlzeit ist zeitlich stark verzögert und Stress kann zu erhöhter Nahrungsaufnahme führen.

Strategien und Gefahren

Gezügelte Esser sind sowohl unter den Adipösen als auch unter den Normalgewichtigen zu finden.

In der Adipositas-Therapie ist das gezügelte Essen ein wünschenswertes Ziel, da die kognitive Kontrolle in viele Fällen für den Erfolg einer Gewichtsreduktion entscheidend ist. Untersuchungen zeigten, dass übergewichtige Probanden mit stark ausgeprägter kognitiver Kontrolle ihr Gewicht besonders erfolgreich reduzierten.

Auch die gezügelten Esser unter den Normalgewichtigen liegen in der Regel unterhalb ihres Setpoints. Sie halten sich in einem Zustand des Energiemangels, um so ihr Körpergewicht zu halten.

Kontrollstrategien

Um nicht an Gewicht zuzunehmen, wenden gezügelte Esser verschiedene Strategien an, z.B.:

  • Kalorienzählen
  • Vermeidung bestimmter Lebensmittel
  • Bevorzugung kalorienarmer Lebensmittel
  • kleine Portionen
  • Auslassen von ganzen Mahlzeiten bzw. Mahlzeitenkomponenten (wie Beilage, Dessert)

Gefahren

Gezügeltes Essen birgt einige Gefahren. Je stärker dieses Verhalten ausgeprägt ist, desto größere Schwierigkeiten wie z.B. vermehrte Heißhungeranfälle, Süßhunger, etc. können auftreten.

Außerdem scheint gezügeltes Essverhalten mit der Entwicklung von Essanfällen bei Anorexie und Bulimie in Verbindung zu stehen.

Preload - Experiment

Mittels eines Preload-Versuchs sollte die Hypothese, dass gezügelte Esser mehr essen, wenn sie ihre selbst gesteckte Diätgrenze überschritten haben, überprüft werden.

Die Probanden wurden in drei Gruppen eingeteilt. Nach der Verabreichung eines Preloads durften sie soviel Eiscreme essen, wie sie wollten. Ein Preload ist eine "Vorab-Portion", in diesem Fall handelte es sich um Milchshakes.

Die erste Gruppe bekam einen Milchshake, die zweite zwei Shakes und die dritte bekam keinen Preload. Des Weiteren wurde mit einem Fragebogens ermittelt, wie stark das gezügelte Essen ausgeprägt ist.

Um sicher zu stellen, dass die Probanden gesättigt sind, wurde das Experiment nach der Essenszeit durchgeführt. Die Ergebnisse bestätigten die Hypothese: Weniger stark gezügelte Esser aßen um so weniger Eiscreme, je mehr Milchshakes sie vorher aufgenommen hatten. Anders die stark gezügelten Esser: Da ihre Diätgrenze bereits durch den / die Milchshake(s) überschritten war, konsumierten sie mehr Eiscreme. Die kognitive Kontrolle wurde also zeitweise unterbunden, so dass das gezügelte Essverhalten aufgegeben wurde.

Boundary - Modell

Die Nahrungsaufnahme wird durch zwei Grenzen - auf der einen Seite Hunger, auf der anderen Seite Sättigung - abgesteckt. Diese physiologischen Grenzen wirken aversiv. Je tiefer der Mensch in den Hungerbereich kommt, desto größer wird der Druck Nahrung aufzunehmen. Andersherum gilt, dass ein Druck einsetzt, die Aufnahme wieder zu beenden, wenn die Sättigungsgrenze weit überschritten wurde. Aufgrund von Lernerfahrungen müssen die Grenzen aber nicht erst erreicht werden, um zu essen bzw. wieder damit aufzuhören. Durch regelmäßige, angemessene Nahrungsaufnahme versucht der Mensch die Grenzzonen zu vermeiden.

Bei gezügelten Essern gibt es eine dritte, selbstauferlegte, kognitive Grenze. Dabei handelt es sich um die Diätgrenze, die zwischen Hunger und Sättigung angesiedelt ist. Sie bestimmt, wie viel unter normalen Umständen gegessen werden darf. Wird diese Diätgrenze durch bestimmte Umstände enthemmt, dann wird bis zur Sattheitsgrenze weitergegessen. Allerdings sind bei den gezügelten Essern die beiden physiologischen Grenzen verschoben. Sie haben eine niedrigere Hungergrenze und gleichzeitig eine höhere Sättigungsgrenze. Das bedeutet, dass sie einerseits länger Nahrung verweigern können, bevor der aversive Druck wirksam wird, andererseits erlaubt die höhere Sättigungsgrenze eine höhere Nahrungsaufnahme.