Vollwert-Ernährung - Definition
Vollwert-Ernährung - was heißt das?
Schon in der Antike kam die Idee einer "Vollwert"-Ernährung auf. Der griechische Arzt Hippokrates und der griechische Mathematiker und Philosoph Pytagoras stellten Überlegungen zu einer ganzheitlichen Ernährungs- und Lebensweise an.
In neuerer Zeit gelten die Ärzte Maximilian Bircher-Benner (1867-1939) und Werner Kollath (1892-1970) als Vorreiter des aktuellen Konzepts der Vollwert-Ernährung. Die moderne Vollwert-Ernährung wurde von Ernährungswissenschaftlern um Professor Leitzmann (ehemals Universität Gießen) hervorgebracht. Sie trägt fortan weniger philosophische Züge, sondern geht auf wissenschaftliche Erkenntnisse zurück.
Das Konzept der Vollwert-Ernährung versteht sich als ganzheitlich orientiertes, nachhaltiges und dadurch zukunftsfähiges Konzept. Genuss, Gesundheit und die Übernahme von Verantwortung gehen dabei Hand in Hand. Die konkrete Umsetzung dieser Ziele gestaltet sich so, dass die Lebensmittel, die im Rahmen der Vollwert-Ernährung verzehrt werden, möglichst wenig verarbeitet sind. Dadurch liefern sie den "vollen Wert": einen hohen Gehalt der natürlicherweise vorhandenen Inhaltsstoffe. "Vollwert" deutet dabei ebenso an, dass das Konzept hinter dieser Ernährungsweise über den bloßen Aspekt "Ernährung" hinausgeht: Rahmenbedingungen fließen mit hinein, denn Ernährung steht immer auch in Beziehung zu Gesundheit, Ökologie, Wirtschaft und Gesellschaft.
Unterschied zur "vollwertigen Ernährung"
Die Vollwert-Ernährung nach Leitzmann und Mitarbeitern unterscheidet sich durch den umfassenden Ansatz von der vollwertigen Ernährung, wie sie von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlen wird. Bei der vollwertigen Ernährung nach DGE sind hauptsächlich gesundheitliche Aspekte von Bedeutung.
Ansprüche an die Vollwert-Ernährung
Eine Vollwert-Ernährung strebt eine hohe Lebensqualität an, möchte die Umwelt schonen, fördert faire Wirtschaftsbeziehungen und setzt auf soziale Gerechtigkeit.
"Gesundheitlich wertvoll"
Die Zusammenhänge zwischen Ernährung und Gesundheit sind heute allgemein bekannt. Die Auswahl der Nahrung wirkt sich direkt auf den Aufbau und die Erhaltung des Körpers aus. Wenn wir uns über einen längeren Zeitraum falsch ernähren, laufen wir Gefahr, krank zu werden. Viele Erkrankungen stehen daher mit einer unausgewogenen Ernährung in Zusammenhang. Zu den ernährungsmitbedingten Erkrankungen zählen Karies, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Obstipation, Kropf, Gallensteine, Gicht, Diabetes mellitus, Leberzirrhose, Pankreatitis, Divertikulose, Divertikulitis, Krebs des Magens, Dickdarms, der Brust, Lunge und Prostata. Durch die Umstellung auf eine gesund erhaltende Ernährung lässt sich das Risiko für ernährungsmitbedingte Erkrankungen reduzieren.
Die Vollwert-Ernährung erhebt den Anspruch einer zeitgemäßen Ernährungsweise. Sie will dabei "gesundheitlich wertvoll" sein, also den Körper mit allen notwendigen Nährstoffen in ausreichender Weise versorgen. Dadurch kann sie eine Grundlage für Gesundheit, körperliche und geistige Leistungsfähigkeit, Wohlbefinden und die Stärkung der eigenen Abwehrkräfte bilden. Die Vollwert-Ernährung bezieht dazu vor allem pflanzliche Lebensmittel mit ein. Diese sind vorzugsweise nur gering verarbeitet und sollen zum großen Teil - ca. der Hälfte - als Frischkost verzehrt werden.
Zur Frischkost gehören
- Getreide-Frischkornbrei
- Nüsse
- Vorzugsmilch und -produkte
- außerdem frisches (nicht erhitztes) Gemüse und Obst.
Manche Lebensmittel können hingegen nur verarbeitet verzehrt werden. Dazu zählen vor allem Kartoffeln, die wegen des Solanins nicht für den Rohverzehr geeignet sind und Bohnen, die giftiges Lektin enthalten und daher ebenfalls nicht roh gegessen werden sollten. Auch Fleisch sollte vor dem Verzehr erhitzt werden, um darin enthaltene Bakterien abzutöten.
Frischkost bietet gegenüber stark verarbeiteten Lebensmitteln gleich mehrere Vorteile. Sie enthält noch mehr Inhaltsstoffe als diese, wird meist mit weniger Fett verarbeitet und zu ihrer Zubereitung wird kaum bis keine Primärenergie (Strom) verbraucht. Da Frischkost länger gekaut werden muss, entsteht auch mehr Speichel, was sich positiv auf Zähne und Zahnfleisch auswirkt. Außerdem verstärkt ein intensiveres Kauen die Sättigungswirkung.
Neben Gemüse und Obst, Vollkornprodukten, Kartoffeln und Hülsenfrüchten werden auch Milch und Milchprodukte sowie in kleineren Mengen Fleisch, Fisch und Eier in die Vollwert-Ernährung integriert. Eine rein vegetarische Ausrichtung ist bei einer Vollwert-Ernährung ebenfalls möglich. Persönliche Präferenzen und die individuelle Bekömmlichkeit können natürlich berücksichtigt werden.
Umweltverträglichkeit
Untersuchungen des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, und Energie ergaben, dass der Ernährungssektor für 20 % des deutschen Primärenergieverbrauchs und 20 % der Treibhausemissionen verantwortlich ist.
Die Ernährungsweise hat demnach unmittelbare Auswirkungen auf die Umwelt, wobei die Umwelt (Wasser, Luft und Boden) wiederum auf die Lebensmittelqualität und somit auf unsere Gesundheit zurückwirkt. Die Vollwert-Ernährung berücksichtigt daher verstärkt auch ökologische Aspekte.
Eine umweltbewusste Ernährungsweise, als welche sich die Vollwert-Ernährung versteht, stützt sich auf eine umweltschonend betriebene Landwirtschaft. Wenn möglich, wird auf ökologisch erzeugte Produkte zurückgegriffen. Ferner sollen die eingesetzten Lebensmittel ressourcenschonend und emissionsarm erzeugt, verarbeitet, vermarktet, zubereitet sowie entsorgt werden. Zum Beispiel werden durch den Kauf regionaler Produkte lange Transporte und der damit verbundene Treibstoffverbrauch vermieden. Dadurch lässt sich wiederum die CO2-Emission niedriger halten. Auch ein bewusst gering gehaltener Fleischanteil in der Ernährung schont Ressourcen, weniger Tierzucht bedeutet auch weniger umweltbelastende Abfälle.
Daneben wird bei Lebensmitteln auf die Verpackungsart Wert gelegt: wenn möglich sollte auf eine Verpackung verzichtet werden oder es sollte sich um Mehrwegverpackungen handeln.
Faire Wirtschaft
Die Lebensmittelpreise sollten so ausfallen, dass Erzeugern ein wirtschaftlich angemessenes Einkommen zur Verfügung steht und ihre Existenz gesichert ist. Dabei sollten die Produkte jedoch auch für den Verbraucher erschwinglich sein. Zwischen diesen beiden Polen gilt es eine geeignete Mitte zu finden.
Sozialverträglichkeit
Ziel der Vollwert-Ernährung ist es, neben den bereits genannten Aspekten weltweit die soziale Gerechtigkeit zu fördern. So ist die Welternährungssituation genauso von Bedeutung wie die Existenzsituation kleiner Bauern und Agrarerzeuger. Ein Anliegen der Befürworter der Vollwert-Ernährung ist daher u. a. die Erzielung fairer Preise für Exportprodukte (z. B. tropische Früchte, Kaffee) aus sog. Drittweltländern.