Auch bei Polypharmazie lohnt sich ein gesunder Lebensstil

Autor/in: , Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit

Donnerstag, 27. Januar 2022

Sport, eine gesunde Ernährung und Nichtrauchen sind mit einer höheren Lebenserwartung assoziiert. Gilt dies auch für Menschen, die zahlreiche Medikamente einnehmen? Ja, berichten die Autoren einer aktuellen Studie. Sie empfehlen Ärzten, sich auch bei Patienten mit Polypharmazie Zeit zu nehmen und zu einem gesunden Lebensstil zu raten.

Das Befolgen eines gesunden Lebensstils geht mit einem verringerten Risiko zu sterben einher. Bislang war allerdings nicht bekannt, ob dieser Zusammenhang auch für Personen mit zahlreichen Erkrankungen gilt, die viele verschiedene Medikamente einnehmen.

Diese Frage beantworteten Wissenschaftler um Dr. Neil A. Kelly und Dr. Parag Goyal vom New Yorker Weill Cornell Medical College. Für ihre Analyse werteten sie die Daten der US-amerikanischen REGARDS-Kohortenstudie unter einem neuen Fokus aus („Reasons for Geographic and Racial Differences in Stroke“). An der Studie nahmen 20.417 mindestens 45-jährige Personen teil. Je nach Anzahl der eingenommenen Medikamente teilten die Wissenschaftler die Probanden in drei Gruppen ein:

  • Personen ohne Polypharmazie: max. 4 Medikamente,
  • Personen mit Polypharmazie: 5 bis 9 Medikamente,
  • Personen mit Hyperpolypharmazie: 10 und mehr Medikamente.

Als Lebensstilfaktoren berücksichtigten sie die Einhaltung der Empfehlungen für eine mediterrane Ernährung (niedrige, mittlere oder hohe Adhärenz), die körperliche Aktivität (kein Sport, 1-3x wöchentlich beziehungsweise mindestens viermal wöchentlich Sport), das Rauchverhalten (aktueller Raucher, Exraucher, Nichtraucher) sowie den Fernsehkonsum der Probanden (mindestens vier Stunden täglich, drei Stunden pro Tag, maximal zwei Stunden pro Tag).

Den Ergebnissen zufolge hatten Personen mit den günstigsten Lebensgewohnheiten in den Bereichen Mittelmeer-Ernährung, Sport und Rauchen eine vergleichsweise niedrigere Mortalität. Beim Fernsehkonsum zeigte sich hingehen kein statistisch bedeutsamer Zusammenhang. Mit zunehmend günstigem Lebensstil verringerte sich das Sterberisiko (Mortalität) von Personen ohne Polypharmazie um 48 Prozent, bei Polypharmazie um 45 Prozent und bei Hyperpolypharmazie um 31 Prozent.

Erwartungsgemäß zeigten sich zwischen den Gruppen Unterschiede. So entsprach die Überlebenswahrscheinlichkeit von Personen mit Hyperpolypharmazie und sehr günstigem Lebensstil in etwa der Überlebenswahrscheinlichkeit von Personen mit Polypharmazie und mäßig gesundem Lebensstil oder Personen ohne Polypharmazie, die einen ungesunden Lebensstil pflegten.

Ferner zeigten sich Unterschiede zwischen den einzelnen Lebensstilfaktoren und deren Relation zur Mortalität.

  • Mediterrane Ernährung: Personen, die sich an die Vorgaben der mediterranen Ernährung hielten (hohe Adhärenz), hatten ohne Polypharmazie eine 23% geringere Mortalität, mit Polypharmazie eine 22 Prozent geringere Mortalität und mit Hyperpolypharmazie eine immerhin 15 Prozent geringere Mortalität.
  • Sportliche Aktivität: Personen, die sich häufig sportlich betätigten, hatten je nach Medikationshäufigkeit eine um 13 Prozent (keine Polypharmazie), 18 Prozent (Polypharmazie) beziehungsweise 21 Prozent geringere Mortalität.
  • Rauchverhalten: Nichtrauchen verringerte die Mortalität bei Personen ohne Polypharmazie sogar um 60 Prozent, bei Personen mit Polypharmazie um 55 Prozent und bei Personen mit Hyperpolypharmazie um 48 Prozent.
  • Fernsehkonsum: Ein vergleichsweise geringer Fernsehkonsum schlug dagegen lediglich mit einer um 12 Prozent (keine Polypharmazie), 14 Prozent (Polypharmazie) oder 5 Prozent (Hyperpolypharmazie) geringeren Mortalität zu Buche.
    Unterm Strich war damit insbesondere der Verzicht auf das Rauchen mit einer günstigeren Lebenserwartung assoziiert, und zwar unabhängig von der Anzahl der eingenommenen Medikamente.

Es ist hervorzuheben, dass selbst Menschen über 75 Jahre, die mehr als zehn Medikamente einnehmen, in puncto Mortalität signifikant von einem gesunden Lebensstil profitieren“ schreiben die Wissenschaftler in ihrem Artikel. Daher sei eine Verbesserung der Akzeptanz und eine breitere Umsetzung einer gesunden Lebensweise bei Älteren unbedingt notwendig. Möglicherweise gehe dieser Aspekt im Umgang mit Patienten, die an mehreren Erkrankungen zugleich leiden, in der Praxis unter. Denn häufig gibt es bei ihnen scheinbar wichtigere Dinge zu besprechen als etwa das Medikationsmanagement.

Angesichts der zunehmenden Mehrfachverordnungen schon im jüngeren Alter sehen die Autoren jedoch dringenden Handlungsbedarf. Sollte die Zeit zu knapp sein für eine umfassende Lebensstilberatung, empfehlen Kelly und Kollegen, die rauchenden Patienten zunächst zu einem Rauchstopp zu motivieren.

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verfasst von am 27. Januar 2022 um 08:01

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