Hypoallergene Säuglingsnahrung kann vor Asthma und Neurodermitis schützen

Autor/in: , Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit

Dienstag, 25. Mai 2021

Die Ergebnisse einer deutschen Langzeitbeobachtungsstudie von Säuglingen mit einem erhöhten Risiko für allergische Erkrankungen sprechen dafür, dass bestimmte HA-Säuglingsnahrungen einer Erkrankung an Asthma und Neurodermitis im Erwachsenenalter vorbeugen können.

Muttermilch ist nach wie vor die am besten auf die Bedürfnisse von Säuglingen abgestimmte Nahrung. Doch was ist, wenn junge Mütter nicht stillen können oder möchten? Auf dem Markt gibt es eine breite Palette von Säuglingsanfangsnahrungen, deren Zusammensetzung der Muttermilch nachempfunden ist. Manche haben besondere diätetische Eigenschaften. Zu dieser Gruppe zählen hydrolysierte (HA) Säuglingsnahrungen. Diese Produkte, in denen das potenziell allergene Eiweiß (Protein) in unterschiedlichem Grad aufgespalten (hydrolysiert) ist, wurden ursprünglich für Babys mit Kuhmilchallergien entwickelt. Später keimte der Verdacht auf, dass HA-Säuglingsnahrungen auch vor der Entstehung allergischer Erkrankungen schützen könnten. Dieser potentiell präventive Effekt wurde allerdings immer wieder infrage gestellt. Etwas mehr Klarheit versprechen die Ergebnisse der GINI-Allergiestudie, die unlängst in der Fachzeitschrift „Allergy“ veröffentlicht wurden.

„GINI“ steht für „The German Infant Nutritional Intervention“. In dieser Studie wurden Langzeiteffekte verschiedener HA-Säuglingsnahrungen auf die Entstehung allergischer Erkrankungen untersucht. Die Studie begann bereits 1995. In den ersten vier Jahren wurden 2.252 gesunde Neugeborene mit einem erhöhten familiären Risiko für allergische Erkrankungen in die Studie aufgenommen. Für den Fall, dass ausschließliches Stillen der Säuglinge während ihrer ersten vier Lebensmonate nicht möglich oder gewünscht war, erhielten die Kinder jeweils eine von drei verschiedenen HA-Säuglingsnahrungen (Interventionsgruppe) oder eine reguläre Säuglingsnahrung (Kontrollgruppe). Die Zuteilung der Säuglingsnahrungen erfolgte nach dem Zufallsprinzip und weder die teilnehmenden Familien noch die Wissenschaftler wussten zu diesem Zeitpunkt, welche Familie welches Produkt erhalten hatte.

Die HA-Nahrungen unterschieden sich im verwendeten Protein und ihrem Hydrolysierungsgrad. Ausgewählt wurden jeweils eine HA-Säuglingsnahrung mit moderat und stark aufgespaltenem Molkenprotein sowie eine stark hydrolysierte Säuglingsnahrung auf Caseinbasis.

In den darauffolgenden Jahren wurden die teilnehmenden Familien regelmäßig kontaktiert und per Fragebogen zum Auftreten von allergischen Erkrankungen (Asthma, Neurodermitis und allergischem Schnupfen) befragt. Bei der aktuellen Auswertung handelt es sich um die Ergebnisse der Nachbefragung nach 20 Jahren, an der 1.199 der mittlerweile erwachsenen Probanden teilnahmen.

Über den gesamten Beobachtungszeitraum hatten Probanden aus der Gruppe mit moderat hydrolysiertem Molkeneiweiß ein um 27 Prozent geringeres Risiko für Neurodermitis im Vergleich zu Probanden der Kontrollgruppe. Bei den Probanden, die das starke hydrolysierte Caseinprodukt erhalten hatten, war das Risiko sogar um 39 Prozent verringert. Wurden die Daten nach den strengeren Kriterien der „Peer Protokoll“-Analyse ausgewertet, bei der nur Probanden berücksichtigt werden, die sicher die entsprechende Intervention erhalten hatten, zeigten sich ebenfalls präventive Effekte bei beiden Gruppen. Für Probanden aus der Gruppe, die das stark hydrolysierte Molkenprodukt getrunken hatten, ergab sich dagegen keine statistisch bedeutsame präventive Wirkung.

Verglichen zu früheren Auswertungen der Studienpopulation beobachteten die Forschenden erstmals eine präventive Wirkung in Bezug auf Asthma. So war die Chance, im Alter zwischen 16 und 20 Jahren an Asthma zu erkranken, in der Gruppe der Probanden mit dem moderat hydrolysierten Molkenproteinprodukt um 56% und in der Gruppe der Probanden mit dem stark hydrolysierten Caseinprodukt um 54% geringer als in der Kontrollgruppe, dagegen bestand kein statistisch bedeutsamer Effekt beim starken Molkenhydrolysat. In der Peer-Protokoll-Analyse wurden ähnliche präventive Effekte festgestellt, diese waren allerdings in keiner Gruppe mehr statistisch signifikant.

In Bezug auf die Vorbeugung von allergischem Schnupfen (allergischer Rhinitis) konnten die Wissenschaftler keinen statistisch bedeutsamen präventiven Effekt aller drei HA-Säuglingsnahrungen im Vergleich zur Kontrollgruppe mit regulärer Säuglingsnahrung feststellen.

Der Weg, über den HA-Säuglingsnahrungen der Entstehung allergischer Erkrankungen wie Asthma und Neurodermitis vorbeugen können, ist bislang nicht vollständig geklärt. Da die HA-Säuglingsnahrungen dieser Studie sich in ihrer präventiven Wirkung unterschieden, vermuten die Forschenden, dass die Hydrolyse möglicherweise Allergie auslösende Eiweißbestandteile aus der Säuglingsnahrung unterschiedlich gut beseitigen konnte. Denkbar sind auch indirekte Effekte der HA-Nahrungen auf das Immunsystem, beispielsweise durch die Beeinflussung des Darm-Mikrobioms.

Die Wissenschaftler sehen durch ihre Ergebnisse das Konzept bestätigt, wonach frühe Ernährungsinterventionen mit hydrolysierten Säuglingsnahrungen bis zum Erwachsenenalter einen präventiven Effekt sowohl für Neurodermitis als auch für allergische Erkrankungen der Atemwege (Asthma) haben, wenn ausschließliches Stillen nicht möglich ist.

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verfasst von am 25. Mai 2021 um 12:30

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