Verbraucher reden Klartext – mit Erfolg?!
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Dienstag, 18. Oktober 2011

Vor gut zwei Monaten startete das Verbraucherportal lebensmittelklarheit.de. Zeit für eine erste Zwischenbilanz: Was hat sich geändert?
Der Einstand von lebensmittelklarheit.de war turbulent: Der Ansturm interessierter Verbraucher führte zum Zusammenbruch des Servers der Verbraucherzentrale Hessen (wir berichteten). Inzwischen hält die Technik den Anforderungen stand, doch bis heute benötigen die Verbraucherschützer Unterstützung aus anderen Länderzentralen bei der Bearbeitung von Anfragen. Laut Andrea Schauff von der Verbraucherzentrale Hessen melden Verbraucher täglich ca. 20-30 fragwürdige Produkte, in Spitzenzeiten waren es täglich ungefähr 100. Insgesamt wurden 3000 Meldungen und 1600 Fragen im Forum registriert.
Über das Internetportal können sich Verbrauchern nicht nur zur Lebensmittelkennzeichnung informieren, sondern auch mit Lebensmittelherstellern in Kontakt treten. Die Ergebnisse der Untersuchungen der Verbraucherschützer werden dort ebenfalls dokumentiert.
Bereits mehrfach waren ihre Beschwerden erfolgreich: Bei 17 Produkten wurde die Lebensmittelkennzeichnung oder das Zutatenverzeichnis eines Produkts überarbeitet bzw. die Verpackungsbeschriftung geändert. Hier findet sich z. B. der Schoko-Birnenjoghurt, dessen Schokoladenanteil in Zukunft auf der Packung angegeben wird ebenso wie der Kaffee eines traditionellen Kaffeerösters, der eine Zeitlang nur noch aus 88 Prozent Röstkaffee bestand. Inzwischen verzichtet der Hersteller auf die Beimischung „harmonisierender Süße“. Bei einigen Lebensmitteln wurde sogar die Rezeptur verändert, z. B. enthalten Wasabi-Erdnüsse zukünftig auch echtes Wasabipulver statt lediglich Aroma.
Andere Hersteller waren weniger einsichtig. Sie reagierten empört und sahen sich stellvertretend für die gesamte Ernährungsbranche an den Pranger gestellt. Entsprechend resümiert Andrea Schauff: „Es gibt solche, die darauf pochen, nichts Unrechtmäßiges zu tun und daher auch eine Stellungnahme verweigern. Andere sehen das Portal als Möglichkeit zu direktem Feedback und gehen schnell auf die Beanstandungen der Konsumenten ein.“

In der Tat ist nicht jede Beschwerde berechtigt. Beispielsweise genügt es, wenn geschwärzte Oliven als „schwarze Oliven“ bezeichnet werden oder wenn im Zutatenverzeichnis von Mozzarella anstelle von „Kuhmilch“ nur „Milch“ aufgelistet ist. Auch wer Würstchen mit 15 Prozent Kalbfleisch- und 73 Prozent Schweinefleischanteil als „Kalbswiener“ bezeichnet, begeht keinen Rechtsbruch.
Häufig bewegen sich die Lebensmittelhersteller in einer rechtlichen Grauzone. Dann ist der Gesetzgeber gefragt: „Die Beschwerden, die bei uns einlaufen, beziehen sich auf den Graubereich der Lebensmittelaufmachung und -kennzeichnung. Wir nehmen sie aber als Indiz, dass der Gesetzgeber hier langfristig etwas zugunsten des Verbrauchers ändern sollte“, so die Verbraucherschützerin.
Summa summarum scheint das Internetportal lebensmittelklarheit.de ein weiterer Schritt zu mehr Transparenz und Verbraucherfreundlichkeit in der Lebensmittelindustrie zu sein, der auf reges Interesse in der Öffentlichkeit stößt. Bleibt zu hoffen, dass auch der Gesetzgeber bald mit eindeutigen Regelungen, die weniger Spielraum für Interpretationen geben, nachzieht.
Zum Thema
tagesschau.de (2.12.2011): Bundestag beschließt Reform. Verbraucherschutz wird ausgeweitet
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 18. Oktober 2011 um 06:28
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Das neue Portal finde ich klasse! Dass Konsumenten selbst etwas gegen Großkonzerne ausrichten können, hat bereits Foodwatch eindrucksvoll demonstriert.