Wie Backwaren für Reizdarmpatienten bekömmlicher werden

Autor/in: , Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit

Dienstag, 10. November 2020

Es ist nicht nur die Dauer der Teigführung, die über die Bekömmlichkeit von Brot und Backwaren entscheidet. So lautet das Ergebnis einer Studie der Universität Hohenheim in Kooperation mit einer lokalen Bäckerei.

Was haben Menschen, die von einem Reizdarmsyndrom betroffen sind, nicht schon alles ausprobiert, um Bauchschmerzen, Blähungen, Völlegefühl, Durchfall oder Verstopfung nach der Aufnahme von Mahlzeiten zu vermeiden? Mitunter wird Betroffenen geraten, den Konsum von Brot und Backwaren aufgrund der darin enthaltenen „FODMAPs“ einzuschränken. „FODMAPs“ sind fermentierbare Einfach- und Mehrfachzuckermoleküle (Mono-, Di- und Oligosaccharide) sowie mehrwertige Alkohole (Polyole), die im Darm von Bakterien abgebaut werden. Als Stoffwechselprodukte entstehen dabei unter anderem Gase. Bei Menschen mit empfindlichem Darm (zum Beispiel bei einem Reizdarmsyndrom) können diese Fermentationsprodukte zu Schmerzen, Durchfall und Blähungen führen.

Da der vollständige Verzicht aufs tägliche Brot angesichts der hiesigen Ernährungsgewohnheiten eher schwerfällt, kam die Frage nach Möglichkeiten auf, wie sich der FODMAP-Gehalt in Brot und Backwaren reduzieren lässt. Bislang ging man davon aus, dass verlängerte Teigführungszeiten und eine erhöhte Zugabe von Hefe zum Teig die FODMAP-Gehalte erheblich reduzieren können. Doch es scheint mehr Stellgrößen zu geben, wie die aktuelle Studie von apl. Prof. Friedrich Longin und Prof Stephan Bischoff zeigt.

In Kooperation mit Bäcker Heiner Beck von der Bäckerei BeckaBeck und der Stelzenmühle untersuchten Longin, Bischoff und ihre Kollegen den Einfluss der Dauer der Teigführung (110 Minuten Teigruhe vs. 24 Stunden 20 Minuten Teigruhe) sowie der Verwendung von 21 verschiedenen Weizensorten auf den FODMAP-Gehalt im fertigen Brot. Sie stellten fest: Der FODMAP-Gehalt im Mehl variierte um das Vierfache abhängig von der Weizensorte. Bereits nach zwei Stunden Teigruhe hatten sich die Anteile der schmerzverursachenden FODMAPs im Brot um bis zu drei Viertel (75 Prozent) verringert. Eine längere Teigführung brachte nur eine unwesentlich geringere FODMAP-Reduktion mit sich. „Das liegt daran, dass bei einer verlängerten Teigführung die Aktivität der Hefe durch eine reduzierte Hefemenge und eine Kühlung des Teiges reduziert werden muss. Ansonsten wird das für das Backen wichtige Gluten zu sehr geschädigt“, erklärt apl. Prof. Longin. Bäckermeister Heiner Beck ergänzt: „Dies wurde in den bisherigen wissenschaftlichen Studien zu FODMAP bei Backwaren nicht beachtet. Mir war wichtig, dass mit praxisrelevanten Rezepten gearbeitet wurde.“

Im fertigen Brot befanden sich noch durchschnittlich 0,22 Gramm FODMAPs pro 100 Gramm Brot (100 Gramm Brot entsprechen circa drei bis vier Scheiben). Verglichen mit einem Gehalt von bis zu 4 Gramm FODMAPs in einem einzelnen Pfirsich ist dies verschwindend wenig. „Es ist somit fraglich, ob eine FODMAP-Konzentration in Broten mit diesen niedrigen Werten medizinisch eine Auswirkung auf Patienten hat, und wenn doch, wie viele Patienten tatsächlich davon betroffen sind“, folgert Prof. Bischoff. „Bei gesunden Personen gilt sogar, dass Teile dieser FODMAPs, nämlich das Fruktan, wichtig für die Darmbakterien sind.“

Aus der Länge der Teigführung lässt sich demnach nicht automatisch auf den FODMAP-Gehalt des fertigen Brotes schließen. Eine längere Teigführung bringt weitere positive Effekte mit sich wie die Reduktion von Acrylamid, ein besseres Aroma, längere Frische sowie eine verbesserte Verfügbarkeit von Mineralstoffen. Bei sehr kurzer Teigführung können dagegen tatsächlich mehr FODMAPs im fertigen Brot enthalten sein. Auch die Weizensorte hat Einfluss auf den Gehalt an FODMAPs, ebenso hat sich die Verwendung von Sauerteig und Hefe als günstig erwiesen.

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verfasst von am 10. November 2020 um 11:05

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