Adipositas – schlägt die Botschaft fehl?
Autor/in: Sabrina Rauth,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Donnerstag, 16. Juni 2011
Viele fettleibige Menschen unterschätzen den Einfluss ihres Gewichts auf ihre Gesundheit, fanden australische Forscher. Das liegt nicht etwa am mangelnden Wissen um diesen Zusammenhang, denn Aufklärungskampagnen gibt es genug. Vielmehr scheinen die in den Kampagnen vermittelten Botschaften in gewissen Punkten fehl zu schlagen. Und die erwarteten Erfolge bleiben aus.
Gesundheitliche Aufklärung für stark Übergewichtige – warum?
Fettleibige erkranken leichter. Sie haben ein höheres Risiko für Typ 2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs einiger Gewebe wie Brust, Gebärmutter, Dickdarm und Niere. Auch ihre emotionale Gesundheit leidet oft stärker als bei Normalgewichtigen, wobei hier gesellschaftliche Wertungen eine wichtige Rolle spielen dürften.
Weitere Folgen der Fettleibigkeit…
Adipositas hat auch soziale Folgen, denn manchmal werden Fettleibige wegen ihres Gewichts abgewertet und ausgegrenzt. Vorurteile über den Charakter und moralische Urteile tragen ihren Teil dazu bei. Mit einem starken Übergewicht werden z. B. oft Faulheit und Trägheit verbunden sowie eine ungesunde Ernährung und eine mangelnde personelle Verantwortungsübernahme.
Die Botschaft der Bilder
Auf den Bildern, die in australischen Gesundheitskampagnen verwendet wurden, waren z. B. stark Übergewichtige abgebildet, die ungesund oder zu viel essend zumeist sitzend dargestellt wurden. Der dadurch erweckte Eindruck ist, dass sich stark Übergewichtige im Allgemeinen gesundheitlich sehr riskant verhalten. Die Schlussfolgerung könnte sein, dass Fettleibigkeit als unmoralisch und verantwortungslos eingestuft wird. Dadurch ginge eine eigentlich wohlgemeinte Botschaft am Ziel vorbei.
Vereinfachen hilft nicht
Die australischen Wissenschaftler schlossen aus den Befragungsergebnissen ihrer Studie, das stark vereinfachte Botschaften, denen es an hilfreichen Informationen fehlt, die Betroffenen nicht unterstützen. Zum Beispiel erfasst ein einfaches „Weniger essen und mehr Sport machen“ weder die vielschichtigen Ursachen, noch berücksichtigt es die Fähigkeiten der Adipösen, auf diese Botschaften zu reagieren. Solche pauschalen Botschaften befähigen die Betroffenen nicht, sondern entmutigen sie eher. Falls die Botschaften zudem im krassen Gegensatz zu den persönlichen Erfahrungen stehen, verlieren sie an Glaubwürdigkeit.
„…ich denke, wenn… [Fettleibige] irgendetwas dagegen (gegen ihr Gewicht) hätten machen können, dann hätten sie es jetzt schon getan. Also, ihnen nur zu sagen: ‚du bist zu dick, du solltest abnehmen‘, was hat das gebracht?“ (39-Jährige, BMI 43.7)
Löst der vermittelte Eindruck einer Adipositas Schuld und Scham aus, ziehen sich die Betroffenen eher zurück oder verweigern einen Bezug auf die eigene Person. Dies ist z. B. der Fall, wenn die eigene Verantwortlichkeit stark betont wird oder das mit einer Adipositas verbundene Bild einen sehr nachteiligen, abzulehnenden Eindruck hinterlässt.
„Immer, wenn du zu deinem Arzt gehst, siehst du Bilder von großen übergewichtigen Männern oder großen, übergewichtigen Frauen, die Hamburger essen und Milchshakes trinken und die sagen, dass einer von drei Leuten über 45, der in diesen Gewichtsbereich fällt, wahrscheinlich einen Herzinfarkt bekommen wird. Also, ich denke, das bin nicht ich, weil ich nicht jeden Tag Hamburger und große Mengen Pommes frites esse.“ (48-Jähriger, BMI 31)
Die australischen Forscher stellten fest, dass viele Betroffene versuchen, einen möglichen Tadel von sich abzulenken, indem sie behaupten, sie seien verantwortlich und gesund und auch aktive Mitglieder der Gesellschaft. Leider laufen durch eine Distanzierung nicht nur die Gesundheitsbotschaften ins Leere. Auch das Angebot der Hilfe hinter den Botschaften wird dadurch nicht wahrgenommen.
Hinweis
Die Zitate wurden aus dem Englischen übersetzt. Der Originaltext kann über den Link in der Quellenangabe eingesehen werden.
Quelle:
Lewis S, Thomas SL, Hyde J, Castle D, Blood RW, Komesaroff PA: „I don’t eat a hamburger and large chips every day!“ A qualitative study of the impact of public health messages about obesity on obese adults. BMC Public Health 2010, 10:309
verfasst von Sabrina Rauth am 16. Juni 2011 um 06:06
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