Besteck stimmt ein
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Mittwoch, 8. Januar 2014
Das Auge und andere Sinne essen möglicherweise viel mehr mit, als bisher bekannt war. Denn bereits die Größe, Form, Farbe und das Gewicht des Bestecks, mit dem wir Speisen zu uns nehmen, beeinflussen unsere Geschmackswahrnehmung. Mit den Ergebnissen einer britischen Studie können Ernährungsgewohnheiten auf eine völlig andere Weise beeinflusst werden.

Geschmack entsteht durch ein Zusammenspiel vieler verschiedener Faktoren. Beteiligt sind nicht nur Geruch, Aussehen und die Konsistenz von Speisen, sondern auch das Umfeld. In früheren Studien wurde bereits untersucht, welchen Einfluss das Geschirr und andere Umgebungsfaktoren auf das Geschmacksempfinden haben. Eines wurde dabei jedoch vergessen: das Besteck. Mit ihren aktuell veröffentlichten drei Experimenten schließen Vanessa Harrar und Charles Spence von der Abteilung für experimentelle Psychologie an der Universität von Oxford diese Lücke zumindest teilweise.
Hätten Sie gedacht, dass schon die Größe und Form des Essbestecks die Geschmacksempfindung beeinflussen? Im ersten Experiment probierten 22 Frauen und 12 Männer mit normaler Farbwahrnehmung Joghurt mit fünf verschiedenen Plastiklöffeln. Dabei handelte es sich um je zwei Tee- und Esslöffel mit unterschiedlichem Gewicht sowie einen Löffel in Edelstahloptik. Die Wissenschaftler stellten fest, dass die Geschmacksempfindung mit dem Gewicht der Löffel variiert. Doch nicht das absolute Gewicht war von Bedeutung, sondern vielmehr die Erwartung der Probanden an das entsprechende Material. Joghurt, der von einem als zu schwer empfundenen Löffel probiert wurde, wurde zum Beispiel als wässrig und qualitativ minderwertig eingestuft. Interessant war auch die Unterscheidung zwischen Tee- und Esslöffeln: Wurde derselbe Joghurt mit einem Teelöffel anstelle eines Esslöffels gegessen, kam er den Teilnehmern süßer vor. Dies kann damit zusammenhängen, dass das Gehirn Teelöffel mit Süßspeisen und süßen Geschmacksrichtungen verbindet.

Nicht nur Größe und Form, sondern auch die Farbe des Bestecks sind von Bedeutung für die Geschmacks-wahrnehmung, wie das nächste Experiment zeigte. 40 Bachelor-Studenten (darunter 28 Frauen) der Oxford-Universität sollten weißen und rosa gefärbten Joghurt mit roten, blauen, grünen, weißen und schwarzen Plastiklöffeln verkosten. Weißer Joghurt auf einem weißen Löffel wurde von den Probanden als sehr süß, angenehm und qualitativ hochwertig eingestuft, derselbe Joghurt auf einem schwarzen Löffel dagegen schmeckte am wenigsten süß. Da es bei den anderen Farben keine signifikanten Unterschiede gab, gehen die Wissenschaftler davon aus, dass der Kontrast zwischen der Farbe des Bestecks und des Essens die Geschmacksempfindung mitbestimmt.
Zuletzt testeten die Wissenschaftler, wie sich die Geschmacksempfindung verändert, wenn verschiedene Besteckformen verwendet werden. Hierfür wurden 30 Bachelor-Studenten gebeten, Käse hinsichtlich verschiedener Geschmacksnoten zu beurteilen. Die Käsestückchen wurden entweder mit einem Messer, einer Gabel oder einem Zahnstocher aufgespießt oder mit einem Löffel verzehrt. Hier kam der Käse, der vom Messer gegessen wurde, den Probanden am salzigsten vor. Die Forscher führen dies darauf zurück, dass normalerweise nicht von einem Messer gegessen und deshalb der Geschmack besonders intensiv wahrgenommen wird.
Die Wissenschaftler raten, bei der Interpretation der hier geschilderten Ergebnisse nicht strikt davon auszugehen, dass bestimmte Eigenschaften des Bestecks direkt das Geschmacksempfinden beeinflussen. Vielmehr kommen andere Geschmacks-wahrnehmungen und -intensitäten wohl eher dadurch zustande, dass Alltagsroutinen durch neue Stimuli durchbrochen werden. Ein elf Gramm schwerer Plastiklöffel lässt Menschen zunächst einmal verblüfft innehalten und schärft dadurch die Sinne für den darauffolgenden Geschmackstest. Macht man sich dieses Verhalten zunutze, so die Idee der Wissenschaftler, könnten ungesunde Ernährungsgewohnheiten durch kleine Tricks positiv beeinflusst werden, zum Beispiel indem untypische Verpackungsfarben verwendet werden. Die Unterbrechung von Alltagsroutinen könnte eine gesündere Auswahl beim Lebensmittelkauf, einen bewussteren Verzehr und frühere Sättigung begünstigen.
Quellen einblenden
- C. Spence, V. Harrar, B. Piqueras-Fiszman (2012): Assessing the impact of the tableware and other contextual variables on multisensory flavour perception. Flavour 1: 1–12
- V. Harrar, C. Spence (2013): The taste of cutlery: how the taste of food is affected by the weight, size, shape, and colour of the cutlery used to eat it. Flavour 2: 21
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 8. Januar 2014 um 10:08
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Ein sehr interessantes Thema. Es ist wirklich beeindruckend, wie sich das Gehirn austricksen lässt.
Vielen Dank für die gute Übersetzung.
Gruß
Marion
Da wir extrem viel Informationen unterbewusst wahrnehmen, ist diese Theorie bestimmt nicht so abwegig.
Wollen wir mal hoffen, dass man sich gesünder ernähren wird 🙂
Besten Gruß