Gaststättenbewertung: Berlin hat die Nase vorn
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Donnerstag, 6. Oktober 2011
Informieren vor konsumieren – in Berlin soll dies mit einer neuen Internetdatenbank, in der die Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelüberwachung veröffentlicht sind, möglich werden.
Restaurantbesucher in Berlin können sich freuen: Seit Juli 2011 werden die Ergebnisse der Hygienekontrollen von Speisegaststätten und Schankbetrieben im Internet veröffentlicht. So können die Verbraucher selbst recherchieren, ob und inwieweit ein Betrieb die Anforderungen der amtlichen Lebensmittelüberwachung erfüllt.
Die Lebensmittelkontrolleure vor Ort prüfen,
- ob die lebensmittelrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden,
- ob sich die Lieferwege der Lebensmittel zurückverfolgen lassen,
- ob die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschult sind,
- ob die Hygienevorschriften eingehalten werden,
- ob und wie die betriebliche Eigenkontrolle funktioniert,
- ob Lebensmittel richtig gelagert und entsprechend gekühlt werden,
- wie der bauliche Zustand ist,
- ob vorschriftsgemäß gereinigt und desinfiziert wird und
- ob mögliche Schädlinge richtig bekämpft werden.
Bei Nichterfüllung einer oder mehrerer Stichpunkte werden Minuspunkte vergeben. Anschließend werden alle Minuspunkte aufsummiert und bilden so das Gesamturteil. Zusätzlich erhalten die Betriebe, ähnlich wie bei dem Schulnotensystem eine Note:
Note | Minuspunkte |
---|---|
1 = sehr gut | 0 Minuspunkte |
2 = gut | 1-19 Minuspunkte |
3 = zufriedenstellend | 20-40 Minuspunkte |
4 = ausreichend | 41-54 Minuspunkte |
5 = nicht ausreichend | 55-80 Minuspunkte |
Ein Smiley zur Veranschaulichung der Ergebnisse soll folgen. Die Verbraucher erfahren im Internet die Anzahl von Minuspunkten sowie die Note, die die Lebensmittelkontrolleure vergeben haben. Sie können jedoch nicht nachverfolgen, in welchem Bereich die Minuspunkte angefallen sind.
Kritikern wie der Verbraucherorganisation Foodwatch geht das System in seiner jetzigen Form nicht weit genug. Im Gegensatz zu dem dänischen Smiley-System, das Vorbild der Berliner Variante ist, werden nur die Kontrollergebnisse aus der Gastronomie öffentlich zugänglich gemacht – andere Betriebskontrollen bleiben außen vor. In Dänemark werden die Kontrollergebnisse direkt im Betrieb ausgehängt und nicht nur im Internet veröffentlicht. So kann der potentielle Kunde bereits an der Eingangstür erkennen, wie sein Supermarkt oder die Bäckerei um die Ecke bei der letzten Hygienekontrolle abgeschnitten haben.
Bemängelt wird außerdem die Vorgehensweise bei der Veröffentlichung der Betriebsergebnisse der Gastronomie. Denn bevor die Ergebnisse im Internet bekannt gegeben werden, erbittet die Behörde eine Stellungnahme des Betriebs. Außerdem kann der Betrieb nach Angaben der Verbraucherschützer unter Umständen einer Veröffentlichung im Internet widersprechen. Treffen diese Vorwürfe zu, so wäre die Informationsseite im Internet lediglich eine Art kostenlose Werbeplattform für Gastronomiebetriebe mit weißer Weste.
Dennoch ist Berlin mit seinem abgespeckten Smiley-System in Sachen Verbraucherinformation einen Schritt weiter als die anderen Bundesländer. Dort verständigten sich die Verbraucherminister zwar in einer gemeinsamen Konferenz, eine „Hygiene-Ampel“ einzuführen. Das Projekt scheiterte bislang allerdings am Widerstand der Wirtschaftsminister der Länder.
In Dänemark indessen war die Einführung des Smileys ein voller Erfolg: Laut Foodwatch erhielten bei der Einführung des Smileys 2002 70 Prozent der Betriebe den fröhlichsten Smiley, 2009 waren es bereits 86 Prozent. Die Macht der öffentlichen Meinung scheint dort zumindest zu wirken.
Was halten Sie von Systemen wie dem Smiley und der Hygiene-Ampel zur Erhöhung der Transparenz? Haben Sie bereits Erfahrungen mit dem Berliner System gesammelt? Würden Sie sich wünschen, dass etwas Ähnliches auch bei Ihnen eingeführt wird?
Quellen einblenden
- Foodwatch.de: Berlin veröffentlicht 14 Kontrollergebnisse. Mitteilung vom 24.08.2011.
- Foodwatch.de: Sicher essen? Berlin führt Smiley-System light ein. Newsletter vom 26.08.2011
- Weg frei für Berlinweiten Smiley ab 1. Juli 2011. Pressemitteilung der Berliner Verbraucherschutzsenatorin vom 24.09.2010.
- Sicher essen in Berlin. Internetseite der Senatsverwaltung Bereich Verbraucherschutz.
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 6. Oktober 2011 um 08:45
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