Stoppt Vitamin-Milch Diabetestrend?
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Donnerstag, 5. Dezember 2013
Seit dem zweiten Weltkrieg ist die Zahl der an Typ 1-Diabetes Erkrankten in westlichen Industrieländern kontinuierlich angestiegen. Dies gilt insbesondere für nordische Länder mit Finnland als Spitzenreiter. Neuesten Untersuchungen zufolge ist die Zahl der Neuerkrankungen dort allerdings jetzt wieder rückläufig. Die Anreicherung von Milch mit Vitamin D gilt aktuell als plausibelste Erklärung.
Weltweit und insbesondere in hoch entwickelten Industrieländern zählt der Typ 1-Diabetes zu den häufigsten chronischen Erkrankungen im Kindesalter. Über die Ursachen des in den letzten Jahrzehnten beobachteten Anstieges der Erkrankungsrate konnte bislang nur spekuliert werden. Die unheilbare Stoffwechselerkrankung stellt hohe Anforderungen an die betroffenen Patienten, ihre Familien und das Gesundheitssystem. Deshalb beobachten und vergleichen Wissenschaftler die Neuerkrankungsrate in allen europäischen Ländern und hoffen auf Hinweise zu möglichen Ursachen.
In Finnland hat sich die Anzahl der Neuerkrankungen seit den 1950er Jahren verfünffacht. Seit nunmehr über 30 Jahren dokumentieren Wissenschaftler der Universität von Helsinki die Neuerkrankungsrate und berichten aktuell von einer erfreulichen Entwicklung. Während zwischen 1980 und 1988 die Zahl der neu erkrankten Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren erst leicht (0,4 Prozent) und dann deutlich stärker um 3,6 Prozent zunahm, ging der Anstieg 2005 abrupt zurück. Seit 2005 ist die Anzahl der neu Erkrankten nahezu stabil, die Kurve nähert sich bis zum Ende der Auswertung 2011 einem Plateau.
Wodurch wurde die Diabeteszunahme aufgehalten? Es gibt viele Hypothesen zu den Ursachen von Typ 1-Diabetes im Kindesalter. Vermutet wird beispielsweise ein Zusammenhang mit Enterovirusinfektionen, Übergewicht im Kindesalter und Vitamin-D-Mangel. In Finnland sind immer mehr Kinder übergewichtig und fettleibig, und die Zahl der Enterovirusinfektionen ist zwischen 2006 und 2011 um das Zehnfache gestiegen. Beide Faktoren können die Trendwende bei Typ 1-Diabetes-Neuerkrankungen demnach nicht erklären. Die Forscher haben nun einen anderen Erklärungsansatz: Durch seine geographische Lage und die geringere Sonneneinstrahlung ist die finnische Bevölkerung besonders von Vitamin-D-Mangel betroffen, also in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Abflachung der Erkrankungskurve. Dies könnte zu der Zunahme der Neuerkrankungen an Typ 1-Diabetes beigetragen haben. Seit 2003 dürfen in Finnland deshalb Milchprodukte mit Vitamin D angereichert werden. In Deutschland und den meisten anderen EU-Ländern ist eine solche Anreicherung allerdings nicht erlaubt.
Zum Aufatmen ist es bislang aber noch zu früh: Da die Wissenschaftler nur die Entwicklung der Neuerkrankungen bei 0- bis 15-Jährigen untersuchten, können sie nicht ausschließen, dass sich lediglich das Erkrankungsalter nach hinten verschoben hat. Künftige Studien sollten deshalb auch ältere Personengruppen einschließen. Außerdem ist nicht bekannt, inwieweit die Ergebnisse von Finnland auf andere Länder übertragbar sind. In Deutschland steigt die Anzahl der Neuerkrankungen weiterhin an, obwohl Vitamin-D-Mangel hierzulande aufgrund der besseren Sonneneinstrahlung weniger verbreitet ist und alle Kinder bereits im Säuglingsalter Vitamin D zur Rachitisprophylaxe erhalten.
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 5. Dezember 2013 um 12:39
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