Wanted! Auf der Suche nach dem verlorenen Tomatengeschmack
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Freitag, 3. März 2017
Warum schmecken viele Tomaten heute kaum noch nach Tomaten? Das typische Tomatenaroma ist meist nur noch in alten Tomatensorten zu finden. Dies könnte sich bald ändern, denn auf der Suche nach dem verlorenen Tomatengeschmack konnten Wissenschaftler vielversprechende Erfolge verbuchen.
Ursprünglich aus Südamerika „eingewandert“, ist die Tomate hierzulande längst heimisch geworden. Heute zählt das Nachtschattengewächs zu unseren beliebtesten Gemüsesorten. Wen wundert es da, dass bei der Züchtung neuer Tomatensorten das Aussehen und vor allem der zu erwartende Ertrag von besonderer Bedeutung waren? Dagegen wurde die komplexe Chemie der Tomate außer Acht gelassen. So kam es dazu, dass die Erwartungen beim Verzehr der großen, roten, makellosen Früchte häufig enttäuscht werden. Dank moderner Analysemethoden konnte gezeigt werden, dass Tomaten über 400 verschiedene Aromastoffe enthalten. Etwa 20 bis 30 dieser Verbindungen bestimmen den Tomatengeschmack. „Doch diese flüchtigen Moleküle sind nur in piko- bis nanomolekularen Konzentrationen in den Früchten enthalten und daher extrem schwer zu quantifizieren“, erklären Denise Tieman vom Institut für Gartenbau an der Universität Florida und ihre Kollegen. „Bei der Tomatenzucht wurden sie daher größtenteils komplett ignoriert.“
Bislang war nicht bekannt, welche flüchtigen Aromen in modernen Tomatensorten fehlen und auf welche genetischen Unterschiede diese Defizite zurückzuführen sind. Tieman und ihre Kollegen haben daher die Aromen von insgesamt 398 alten, modernen und wilden Tomatensorten chemisch analysiert und verglichen. Sie stellten fest, dass in den modernen Sorten 13 der aromabestimmenden flüchtigen Verbindungen signifikant reduziert waren. „Doch gerade diese flüchtigen Substanzen definieren den einzigartigen Geschmack der Tomate“, geben die Wissenschaftler zu bedenken.
Im nächsten Schritt ergründeten Tieman und ihre Kollegen die genetischen Ursachen für den unterschiedlichen Gehalt an Aromastoffen. Genomweite Erbgutvergleiche förderten zutage, dass die Gene der modernen Tomatensorten für 23 flüchtige und 4 nichtflüchtige Verbindungen in mindestens einem Allel verändert waren. Als Folge davon werden die entsprechenden Aromen in geringerer Menge oder sogar gar nicht mehr produziert, erklären die Forscher. Die Zucht immer größerer Sorten beeinträchtigte zudem deren Zuckergehalt.
Happy End in Sicht? Die Aufklärung der genetischen Ursachen bietet den Wissenschaftlern die Chance, die Geschmacksdefizite zu beheben. „Unsere Ergebnisse liefern uns einen Fahrplan, um den Tomatengeschmack wieder zu verbessern“, erläutern Tieman und ihre Kollegen. „Weil diese Aromen von Natur aus nur in winzigen Spuren vorhanden sind, lässt sich ihre Produktion in der Tomate hochregulieren, ohne dass dies zu Lasten der Erträge oder des Wachstums geht.“ Die Forscher sind optimistisch, dass sich dieses Ziel durch gezielte Zucht in wenigen Jahren erreichen lässt.
Quellen einblenden
- Bild der Wissenschaft (2017): Auf der Suche nach dem verlorenen Geschmack. Online-Artikel vom 27.01.2017
- D. Tieman, G. Zhu, M. F. R. Resende Jr. et al. (2017): A chemical genetic roadmap to improved tomato flavor. Science 355: Seite 391-394
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 3. März 2017 um 09:05
vorheriger Artikel: Verbraucherzentralen fordern Klartext bei Nahrungsergänzungsmitteln
nächster Artikel: Aktuelle Trends im Lebensmittelverbrauch
DEBInet-Ernährungsblog - über uns
Unsere Autoren schreiben für Sie über Aktuelles und Wissenswertes aus Ernährungswissenschaft und Ernährungsmedizin. Die redaktionell aufbereiteten Texte richten sich nicht nur an Experten, sondern an alle, die sich für das Thema "Ernährung" interessieren.
Sie können sich die Beiträge per Newsletter zuschicken lassen oder diese über RSS-Feed oder Twitter abonnieren.
Für die Schriftenreihe der Gesellschaft für Rehabilitation bei Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten e.V. (GRVS) wurden 222 unserer Blog-Artikel ausgewählt. Das dabei entstandene Ernährungs-Lesebuch ist 2017 im Pabst Science Publishers Verlag erschienen und steht Ihnen hier kostenlos zum Download zur Verfügung
© 2010-2024 Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit