Selbst zubereitete Babynahrung ist ernährungsphysiologisch hochwertiger
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Mittwoch, 11. Dezember 2013
Laut einer aktuellen Marktanalyse in Großbritannien enthält kommerzielle Babynahrung nur halb so viele Nährstoffe und Energie wie selbst zubereitete. Statt geschmacklicher Vielfalt dominiert süßes Einerlei, die Alterskennzeichnung ist oft irreführend. Das Fazit der Experten: Selbst zubereiten ist besser als kaufen.
Inwieweit deckt kommerzielle Babynahrung die speziellen Ernährungsbedürfnisse von Kleinkindern? Wissenschaftler des Instituts für menschliche Ernährung an der Universität von Glasgow prüften die ernährungsphysiologische Eignung von 479 Beikost-Produkten gängiger Hersteller. Die Palette untersuchter Nahrungsmittel reichte von fertig zubereiteten weichen Gerichten über Instantpulver zum Anrühren mit Milch oder Wasser bis hin zu Keksen, Zwieback, Riegeln, Kuchen und Snacks für Kleinkinder.
Alle Produkte wurden zunächst anhand ihrer Art, Textur und der vorherrschenden Geschmacksrichtung (süß oder herzhaft) in Gruppen eingeteilt und anschließend anhand ihres Nährwerts beurteilt. Im Mittelpunkt stand dabei der Gehalt an Energie und Eiweiß, Zucker, Eisen und Calcium.
Hintergrund: Experten empfehlen, Kinder möglichst sechs Monate ausschließlich zu stillen. Danach sollte schrittweise Beikost eingeführt werden, um den erhöhten Energie- und Nährstoffbedarf des Kleinkindes zu decken. In der frühen Kindheit werden lebenslange Ernährungsgewohnheiten geprägt. Deshalb sollten die Kinder mit vielen verschiedenen Geschmacksrichtungen, Aromen und Lebensmitteltexturen vertraut gemacht werden.
Die Realität im Supermarkt sieht allerdings anders aus. In der Marktanalyse waren vier von fünf Produkten löffelfertige Speisen. Süße Geschmacksrichtungen dominierten das Angebot bei weitem: Zwei Drittel der untersuchten Lebensmittel waren süß. Der Trend ist nachvollziehbar, da kleine Kinder eine angeborene Vorliebe für den Süßgeschmack haben. Die Wissenschaftler warnen jedoch davor, sie hauptsächlich mit Süßspeisen zu verköstigen, weil dann die Gewöhnung an andere Geschmacksrichtungen später erschwert wird. Der Fruchtzucker, der bei industriell hergestellten Produkten häufig zum Süßen verwendet wird, ist wahrscheinlich nicht zahnfreundlicher als gewöhnlicher Haushaltszucker.
Die herzhaften, löffelfertigen Produkte hatten in der Regel eine wesentlich geringere Nährstoffdichte (einzige Ausnahme: Eisen) und einen geringeren Energiegehalt als selbst zubereitete Babynahrung. Demnach müssten die Kleinkinder die doppelte Menge an kommerzieller Nahrung verzehren, um ihren Energie- und Eiweißbedarf zu decken. Kommerzielle Kekse und Riegel dagegen waren reich an Kalzium und Eisen, aber meist auch sehr süß.
Kritisiert wurde außerdem die Alterskennzeichnung der Kindernahrungsmittel. Fast die Hälfte der Produkte (44 Prozent) war laut Packungsbeschriftung dafür geeignet, ab einem Alter von 4 Monaten gegeben zu werden. Dies könnte Eltern dazu verleiten, Beikost in einem Alter einzuführen, in dem die Vorteile des ausschließlichen Stillens überwiegen, so die Wissenschaftler.
Fertig zubereitete Nahrungsmittel sind verlockend, da sie zum einen bequem und praktisch in der Handhabung sind und zum anderen damit beworben werden, speziell auf die Bedürfnisse der Kleinsten abgestimmt zu sein. Der Studie zufolge enthalten die gängigen Fertigprodukte jedoch nicht genug Energie und Protein, um den zusätzlichen Bedarf der mindestens sechsmonatigen Kinder beim Übergang von Milchnahrung auf feste Kost zu decken. Deshalb wird empfohlen, die Beikost möglichst selbst zuzubereiten und kommerzielle Produkte allenfalls gelegentlich zu verwenden.
Quellen einblenden
- A.L. García, S. Raza, A. Parrett, et al. (2013): Nutritional content of infant commercial weaning foods in the UK. Archives of Disease in Childhood, Online-Vorabveröffentlichung.
- The Guardian (2013): Baby food from shops half as nutritious as homemade meals, study finds. Online-Artikel vom 10.09.2013.
- M. Roberts (2013): Baby weaning foods found „lacking“. BBC News Health, Artikel vom 10.09.2013.
- HealthDay (2013): Commercial Baby Foods Fall Short for Nutrition: Study. HealthDay, Artikel vom 10.09.2013.
- S. Ramsey (2013): Should your baby’s first food be home-made? Best Health, Online-Artikel vom 09.09.2013.
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 11. Dezember 2013 um 10:06
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Hallo,
mein Sohn ist nun gerade 4 Monate geworden und natürlich beschäftige ich mich schon jetzt mit dem Thema „Beikost“. Gerne möchte ich diese selbst zubereiten und auf fertige Gläschen verzichten. Vor einigen Monaten habe ich mir den Standmixer von AEG gekauft. Kann ich diesen für das Pürieren der gegarten Zutaten verwenden? Oder empfiehlt sich da eher ein anderes Gerät?
Grüße
Sehr geehrte Frau Bächle,
in Ihrem Artikel:“Selbst zubereitete Babynahrung ist ernährungsphysiologisch hochwertiger“ schreiben Sie, da die Empfehlung gilt, mindestens 6 Monate zu stillen und dann Beikost einzuführen. Die Handlungsempfehlungen von Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Familie lauten jedoch: Die ersten 4 Monate voll stillen, ab dem 5. Monat die Einführung von Beikost, bei weiterem stillen. Das Zeitfenster zwischen dem 5. und 7. Monat ist wichtig, zur Konfrontation des Immunsystems mit möglichen Allergenen in der Nahrung. Schwierig an der Untersuchung finde ich außerdem den Vergleich völlig unterschiedlicher Produkte hinsichtlich des Nährstoffgehaltes. Es erden komplette Mahlzeiten anscheinend mit Snacks oder Zwischenmahlzeiten verglichen. Ein fertiger Brei für ein Kind im 5. oder 6. Lebensmonat kann problemlos mit einem Teelöffel Rapsöl ergänzt werden, dann steigt auch der Fett- und Energiegehalt an. Grundsätzlich bin ich sehr für die eigene Zubereitung von Babynahrung, da der Geschmack sich stark unterscheidet und das Kochen ein wichtiger Teil unserer Kultur ist, trotz allem sind fertige Gläschen eine mögliche Alternative. Wichtig scheint mir jedoch, dass Kinder mit der entsprechenden Reife, mit ca. 1 Jahr an der ganz normalen Familienkost teilnehmen können (mit wenigen Einschränkungen) und spätestens dann keine „Kinderprodukte“ mehr brauchen.
Gabriele Graf
Sehr gehrte Frau Graf,
vielen Dank für Ihre Hinweise. Die Empfehlung für den Zeitpunkt der Beikosteinführung variieren. Das von Ihnen genannte „Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Familie“ empfiehlt „die Beikost frühestens mit Beginn des 5. Monats, spätestens mit Beginn des 7. Lebensmonats zu starten“, die Weltgesundheitsorganisation WHO und die für Deutschland zuständige Nationale Stillkommission raten dazu, sechs Monate ausschließlich zu stillen und erst danach mit der Beikosteinführung zu beginnen. Es stimmt, dass zur Prophylaxe von Allergien zwischenzeitlich geraten wurde, ab dem vollendeten 4. Lebensmonat mit der Beikosteinführung zu beginnen. Inzwischen hat sich gezeigt, dass nicht (nur) der Zeitpunkt der Einführung von Beikost ausschlaggebend ist für die Toleranzentwicklung, sondern dass während der Beikosteinführung weiter gestillt wird. Letztendlich hängt das Timing von den Wünschen der Mutter und den Fertigkeiten des Kindes ab.
In der von mir zusammengefassten Studie wurden die Babyprodukte zunächst in verschiedene Gruppen eingeteilt und erst im Anschluss innerhalb der Gruppen ernährungsphysiologisch bewertet. Ich denke, letztendlich ist es auch eine Frage der Zeit und verfügbarer Ressourcen, die darüber entscheidet, ob die Babynahrung selbst zubereitet oder fertig gekauft wird. Falls letzteres der Fall ist, lohnt sich auf jeden Fall ein kritischer Blick auf das Zutatenverzeichnis. Das Forschungsinstitut für Kinderernährung hat außerdem eine Beikostdatenbank entwickelt, in der Eltern sich über die ernährungsphysiologische Eignung verschiedener Beikostprodukte informieren können (http://verbraucherfenster.hessen.de/irj/VF_Internet?cid=4158ed5518c267a04d052939400c3c89). Ich teile Ihre Einschätzung, dass Kinder ab einem Alter von ca. 1 Jahr an Familienmahlzeiten teilnehmen können und keine speziellen Lebensmittel benötigen.
Mit freundlichen Grüßen
Christina Bächle