Schreckgespenst LDL-Cholesterin verliert an Macht
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Freitag, 27. Dezember 2013
Bei der medikamentösen Behandlung hoher Cholesterinwerte schlagen amerikanische Fachgesellschaften einen Richtungswechsel vor: Weg von der Orientierung an vorgegebenen Zielwerten hin zu einer Lipidtherapie mit festen Dosen. Die Argumente sollen wissenschaftlich untermauert sein und dennoch ist der Wechsel selbst in den eigenen Reihen umstritten.
Wer als Mediziner up to date bleiben möchte, hat es nicht leicht. Denn die Flut neuer und aktualisierter Empfehlungen zur Behandlung von Erkrankungen scheint nicht enden zu wollen beziehungsweise sogar anzuwachsen in unserer schnelllebigen Zeit. Unter diesen Empfehlungen fallen auch die neuen Cholesterin-Guidelines der American Heart Association (AHA) und des American College of Cardiology (ACC). Dennoch lohnt sich ein genauerer Blick auf die neuen Empfehlungen der Organisationen, denn sie markieren die Abkehr von alt bekannten Behandlungskriterien.
Der Erfolg cholesterinsenkender Therapien wurde bis dato am Erreichen bzw. Unterschreiten von bestimmten LDL-Cholesterinzielwerten gemessen. Diese Zielwerte variierten je nachdem wie hoch Ärzte das Risiko der Patienten für Herz-Kreislauf-Erkrankungen einschätzten. Beispielsweise haben Raucher, Menschen mit Bluthochdruck, niedrigem HDL-Cholesterin und familiärer Vorbelastung ein erhöhtes Risiko.
In den neuen Richtlinien der amerikanischen Fachgesellschaften soll die Orientierung am Cholesterin-Zielwert durch das Konzept der „festen Dosis“ ersetzt werden: Bei der Dosierung von lipidsenkenden Medikamenten (meist Statinen) wird nicht mehr berücksichtigt, ob spezielle Zielwerte erreicht werden. Stattdessen, so der Vorschlag der Autoren der Richtlinie, sollen die Patienten vor Beginn der Therapie einer von vier Risikogruppen zugeordnet werden (Personen mit hohen kardiovaskulären Erkrankungen, hohen Cholesterinwerten, mit Diabetes ohne kardiovaskuläre Erkrankungen, ohne Diabetes oder kardiovaskuläre Erkrankungen), in denen die Intensität der Statintherapie variiert – ohne Berücksichtigung von speziellen Zielwerten. Begründet wird dieser Orientierungswechsel durch wissenschaftliche Studien. In den Augen der Autoren wurde nie bewiesen, dass das Erreichen von bestimmten Zielwerten von Vorteil ist, wohl aber existierten Studien, bei denen die Wirksamkeit verschiedener Statindosierungen belegt wurden.
Die neue Leitlinie signalisiert einen Umdenkprozess in Fachkreisen. Doch die Skepsis ist groß, national wie international. Erst 2011 betonte die Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung von Fettstoffwechselstörungen und ihren Folgeerkrankungen DGFF („Lipid-Liga“): „Zur zielwertorientierten Anpassung der Dosierung von Statinen gibt es aus ethischen Gründen keine Alternative„. Es bleibt also spannend…
Weitere Informationen zu Hypercholesterinämie und anderen Fettstoffwechselstörungen finden Sie hier.
Quelle:
N.J. Stone, J. Robinson, A.H. Lichtenstein, C.N.B. Merz, C.B. Blum, R. H. Eckel, A.C. Goldberg, D. Gordon, D. Levy, D.M. Lloyd-Jones, P. McBride, J.S. Schwartz, S.T. Shero, S.C. Smith, K. Watson, P.W.F. Wilson (2013): 2013 ACC/AHA Guideline on the Treatment of Blood Cholesterol to Reduce Atherosclerotic Cardiovascular Risk in Adults: A Report of the American College of Cardiology/American Heart Association Task Force on Practice Guidelines. Circulation, Online-Vorabveröffentlichung
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 27. Dezember 2013 um 08:53
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