Sich satt denken – funktioniert das?
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Dienstag, 8. November 2011
Schon der alleinige Gedanke an Kalorienbomben macht dick? Nicht unbedingt…
Durch das Denken an Speisen seinen Appetit zu kontrollieren, das klingt zunächst einmal paradox. Denn bislang wurde davon ausgegangen, dass der bloße Gedanke an „verbotene“ Lebensmittel ähnlich wie deren Anblick, Geruch oder Geschmack zu neuronalen Prozessen führt, die den Appetit steigern und einem förmlich das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen.
Dies stimmt allerdings nicht unbedingt, wie Forscher der Carnegie-Mellon-Universität von Pittsburgh herausfanden. Nach ihren Erkenntnissen macht es einen Unterschied, ob man flüchtig an eine Speise denkt oder sich eingehend in Gedanken damit befasst: Je detaillierter die Vorstellung, desto stärker schrumpft der Appetit darauf, so die Forscher. Sie führen den an Patienten beobachteten Effekt auf eine Gewöhnung an den Appetitreiz (Habituierung) zurück. Joachim Vosgerau, ein an der Studie beteiligter Professor für Marketing, erläutert: „Habituierung ist einer der fundamentalen Prozesse, die bestimmen, wie viel wir konsumieren, wann wir aufhören, und wann wir dazu übergehen, etwas anderes zu konsumieren.“ Und weiter: „Zu einem gewissen Grad ist die reine Vorstellung einer Erfahrung ein Ersatz für die tatsächliche Erfahrung. Der Unterschied zwischen mentaler Vorstellung und tatsächlicher Erfahrung mag sehr viel kleiner sein als bisher angenommen.“
Sich einfach satt denken? Das klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Und ganz so mühelos scheint dies auch nicht umsetzbar zu sein, wie der genaue Blick auf das Studiendesign verrät. Die Kenntnisse der Forscher basieren auf einer Reihe von Untersuchungen, in denen Probanden gebeten wurden, sich wiederholt das Essen eines Schokoladen-Erdnuss-Dragees oder das Einwerfen einer Münze auszumalen. Im Voraus wurde außerdem festgelegt, wie häufig sich die Teilnehmer das jeweilige Ereignis vorstellen sollten. Es zeigte sich, dass Probanden, die zuvor 30mal in Gedanken das Schokoladendragee verzehrt haben, später deutlich weniger von der tatsächlich angebotenen Süßigkeit aßen, als Probanden, die nur dreimal daran gedacht hatten, und die Kontrollgruppe ohne Gedanken daran. Auch scheint es nicht zu genügen, nur an das entsprechende Lebensmittel zu denken. Wichtig ist die konkrete Vorstellung des Verzehrs. Probanden, die sich 30-mal gedanklich damit beschäftigten, ein Schokoladendragee in eine Schale zurückzulegen, aßen im Schnitt deutlich mehr als die Vergleichsgruppe, die sich mit dem Verzehr befasst hatte.
Die appetitzügelnde Wirkung der eigenen Gedanken ist offenbar lebensmittelspezifisch, wie die Forscher beobachteten: Der gedankliche Verzehr von Schokoladendragees beispielsweise hatte keinen Einfluss auf den Appetit auf Käse.
Mit ihren Ergebnissen wollen die Initiatoren der Studie einen Beitrag zur Entwicklung von Strategien zur Dämpfung des Verlangens nach ungesunden Lebensmitteln, aber auch Drogen und Zigaretten leisten und Menschen bei einer gesunden Essensauswahl unterstützen, so der Hauptautor der Studie, Carey K. Morewedge. Interessant sind die Studienergebnisse sicherlich auch für diejenigen, die gerne abnehmen möchten und denen es schwer fällt, auf bestimmte Lebensmittel wie Schokolade oder Chips zu verzichten.
Quelle:
Morewedge CK, Huh YE, Vosgerau J. Thought for food: imagined consumption reduces actual consumption. Science. 2010; 10: 1530-1533.
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verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 8. November 2011 um 08:31
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