Ketogene Diät als Therapieoption bei Gicht

Autor/in: , Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit

Mittwoch, 24. Mai 2017

Viel Fett, aber kaum Kohlenhydrate: Eine ketogene Diät hat das Potential, Gichtsymptome zu lindern und könnte zukünftig auch bei anderen, altersbegleitenden Entzündungsreaktionen eingesetzt werden. In einer aktuellen Studie identifizierten Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät Yale zugrunde liegende Mechanismen.

Stark schmerzende Gelenke, Entzündungen und Fieber zählen zu den klassischen Symptomen eines Gichtanfalls. Als Folge einer zu hohen Harnsäurekonzentration im Körper lagern sich Harnsäurekristalle insbesondere an Gelenken ab und aktivieren dort das Immunsystem. Die einsetzende, schmerzhafte Entzündungsreaktion wird durch einen Proteinkomplex namens NLRP3-Inflammasom gesteuert.

Primäres Ziel der Gichttherapie ist die Verringerung der Harnsäurekonzentration. Daher wird erkrankten Menschen empfohlen, den Verzehr purinreicher Lebensmittel, bei deren Verstoffwechslung im Körper Harnsäure entsteht, einzuschränken. Gelingt dies nicht, können zusätzlich Harnsäure senkende Medikamente verordnet werden. Paradoxerweise begünstigen diese Medikamente aber insbesondere in den ersten Einnahmemonaten einen Gichtschub, da beim Auflösen der bereits vorhandenen Kristalle kleine Teilchen in das Gelenk geschwemmt werden können. Erleiden Patienten trotz Einnahme von Medikamenten einen Gichtanfall, gefährdet dies ihre Therapietreue.

Wissenschaftler um Dr. Emily Goldberg von der Medizinischen Fakultät Yale (New Haven, USA) haben in ihrer aktuellen Studie einen anderen Therapieansatz verfolgt. Basierend auf früheren Studien gingen sie davon aus, dass eine ketogene Ernährungsweise die Symptome einer Gicht lindern kann. Bislang war allerdings wenig über die zugrunde liegenden Mechanismen bekannt.

In einer Reihe von Experimenten stellten Goldberg und ihre Kollegen fest, dass die Gelenke von Ratten, die eine solche fettreiche, aber kohlenhydratarme Diät erhielten, weniger stark anschwollen und die Konzentration von Entzündungsmarkern bei diesen Tieren geringer war als in der normal ernährten Kontrollgruppe. Die Wissenschaftler führten dies auf die erhöhte Konzentration des Ketonkörpers Betahydroxybutyrat (kurz: BHB) zurück. Weitere Analysen ließen darauf schließen, dass die Entzündungsantwort in den betroffenen Gelenken durch eine ketogene Ernährung abgeschwächt und auch die Gewebezerstörung vermindert wird. Dies geschieht ohne Beeinträchtigung der bakteriellen Immunabwehr – eine wichtige Voraussetzung für den Einsatz der ketogenen Diät bei Menschen. Mechanistisch lassen sich die positiven Wirkungen einer ketogenen Ernährung bei Gicht dadurch erklären, dass BHB spezifisch das NLRP3-Inflammasom hemmt. Im Labor wurden vergleichbare Ergebnisse auch an menschlichen Zellen (in vitro) beobachtet.

Für Goldberg stellt das NLRP3-Inflammasom einen guten Ansatzpunkt dar, um Entzündungsreaktionen während eines Gichtschubs abzumildern. Entsprechende Studien bei Menschen (in vivo) stehen allerdings bislang noch aus. Dies wäre auch vor dem Hintergrund interessant, dass eine dauerhaft fettreiche Ernährung eine Fettstoffwechselstörung (Dyslipidämie) auslösen kann, was wiederum die Entstehung einer Arteriosklerose begünstigt.

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verfasst von am 24. Mai 2017 um 06:18

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8 Kommentare zu “Ketogene Diät als Therapieoption bei Gicht”

  1. Andrea B. sagt:

    Hallo Frau Bächle,
    ich mache immer wieder mal ketogene Ernährungsphasen und bin deswegen ganz schön fasziniert von der positiven Auswirkung auf Gichtanfälle. Ich habe das vor einem Jahr ca. entdeckt und mache das immer wieder mal um meine Fettverbrennung anzukurbeln. Bevor ich das bei einem Ernährungscoach gesehen habe, wusste ich gar nicht was das ist. Mein Onkel hat auch Gicht und hat auch schon einige Therapien ausprobiert, die aber nur mäßig Erfolg hatten. Bei ihm haben auch viele Ärzte empfohlen, er solle auf Fleisch verzichten, aber gebracht hat es leider nichts. Komisch, dass das dann immer noch empfohlen wird… Ich werde ihm auf jeden Fall mal Ihren Artikel zeigen. Danke schön für den Beitrag!
    Alles Gute und viele Grüße
    Andrea

  2. Tristana sagt:

    Hallo Frau Dr. Bächle,

    Ich kann aus Erfahrung berichten, dass Ihr o. g. Abhandlung zum Thema absolut stimmt.

    Jahrezente waren meine Härnsaurewerte über 7 erhöht. Meinung aller behandelter Ärzte weniger Fleisch etc. Trotz teilweiser monatelanger Veganer Ernährung sank der Wert nicht.
    Ich lebe seit 6 Monate lchf und fast immer ketogen und siehe da, Wert 4,9…..
    Super, dass Sie als Ärztin einen anderen Weg dokumentieren als das der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, die Ärzte noch ins Land tragen und ganze Rehazentren leider meines Erachtens falsch handeln lassen.

    Danke für den Bericht

  3. ropi sagt:

    Der Artikel ist bereits etwas älter, daher meine Frage, ob man hierüber neue Studien kennt? Ich leide seit mehreren Jahren an Gicht und bin noch keine 30. Die ketogene Ernährung reizt mich seit geraumer Zeit, leider habe ich mich das noch nicht getraut, aufgrund meiner Gichterkrankung. Es steht halt komplett im Widerspruch, daher habe ich die Befürchtung, dass ich mir damit selbst ins Bein schieße.

  4. Janette sagt:

    Hallo!
    Kann mich nur Michael anschließen – vor allem besteht eine Ketogene Diät doch meist aus recht großen Mengen Fleisch/Fisch (passendes Titelbild 😉
    Ist dieser Artikel bzw. diese Forschung wirklich ausreichend belegt, um an dieser Stelle veröffentlicht zu werden und damit Verwirrung zu schaffen?

    • Dr. oec. troph. Christina Bächle sagt:

      Vielen Dank für Ihren Kommentar. Unser Ziel besteht darin, aktuelle Studienergebnisse aus der Wissenschaft zu berichten, wobei wir auf kritische Aspekthinweisen. Die Frage, inwieweit Tierexperimente auf Menschen übertragbar sind, ist ein solcher Aspekt, ebenso die möglichen negativen Folgen einer dauerhaften ketogenen Ernährungen (s. letzter Abschnitt).

  5. Michael sagt:

    Hallo,

    steht dies nicht im Widerspruch zu den Aussagen, die Sie auf Ihrer Übersichtsseite zum Thema Gicht treffen? Hier wird der Verzehr von Fett und der damit einhergehenden Bildung von Ketonkörpern als hemment für die Ausscheidung von Harnsäure beschrieben. Die würde bedeuten, dass durch die ketogene Diät der Harnsäurespiegel steigt und damit die Kristalle in die Gelenke kommen, es aber zu keiner oder einer abgeschwächten Entzündung kommt. Dies wiederum klingt für mich, als könnte dies zu einem unbemerkten Verschleiß der Gelenke führen. Irgendwann kommt es dann zu den Veränderungen an den betroffenen Gelenken, die man mit der Gicht-Therapie doch verhindern will.

    • Dr. oec. troph. Christina Bächle sagt:

      Sie haben Recht, die Ergebnisse der Forscher widersprechen den gängigen Empfehlungen zur Ernährung bei Gicht. Allerdings traten in Gruppe, die sich ketogen ernährte, weniger Entzündungen auf, wodurch auch die Gelenke weniger stark anschwollen. Demnach haben sich in dieser Gruppe weniger Harnsäurekristalle gebildet (falls überhaupt) als in der Kontrollgruppe ohne ketogene Ernährung.

  6. Danke für diesen sehr interessanten Beitrag! Meine Schwester hat Gicht und hat schon verschiedene Therapieformen ausprobiert, vielleicht wäre das ja was für sie!
    LG Sophie

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