Kindliches Übergewicht im Ländervergleich: Früh übt sich…

Autor/in: , Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit

Dienstag, 7. Juni 2016

In Italien ist Übergewicht bei Kindern besonders weit verbreitet. Mit diesem Ergebnis der IDEFICS-Studie soll jedoch kein Land an den Pranger gestellt werden; im Fokus der Studie steht vielmehr die Erforschung von Faktoren, welche die Entstehung von kindlichem Übergewicht begünstigen.

Für die Auswertung wurden zwischen 2006 und 2012 Daten von insgesamt 7.644 null- bis elfjährigen Kindern aus sieben europäischen Ländern (Deutschland, Belgien, Schweden, Spanien, Italien, Ungarn und Zypern) gesammelt. Während des Studienzeitraums wurden wiederholt die Größe und das Gewicht der Kinder bestimmt. Außerdem wurden frühkindliche Faktoren erfasst, die möglicherweise mit dem Gewicht der Kinder zusammenhängen. Hierzu zählen der Body Mass Index (BMI, Körpermassenindex) der Mutter, ihre Gewichtszunahme während der Schwangerschaft, die Stilldauer und der elterliche Bildungsstatus. Aus Größe und Gewicht wurde jeweils der BMI berechnet und mit Normwertkurven verglichen. Auf diese Weise ließ sich für jedes Alter und jedes Land der Anteil der übergewichtigen Kinder bestimmen.

Bereits bei der Basisuntersuchung 2007/2008 zeigten sich deutliche Unterschiede im Anteil übergewichtiger und adipöser (fettleibiger) Kinder zwischen den teilnehmenden europäischen Ländern. Spitzenreiter im positiven Sinne war Belgien, wo lediglich knapp jedes zehnte Kind übergewichtig oder adipös war (9,7 Prozent). Es folgten Schweden (12 Prozent), Deutschland (18 Prozent), Ungarn (19 Prozent), Spanien (26 Prozent) und Zypern (30 Prozent). Am anderen Ende der Skala stand Italien. Hier hatte sogar jedes zweite teilnehmende Kind (50 Prozent) Übergewicht bis hin zur Adipositas (Fettleibigkeit).

Weitergehende Auswertungen, bei denen das Alter der Kinder berücksichtigt wurde, zeigten bereits ab einem Alter von drei Jahren deutliche Länderunterschiede im BMI der Kinder. Beispielsweise war der BMI der elfjährigen Jungen in Italien mit 22,3 kg/m2 deutlich höher als in den anderen teilnehmenden Ländern (18,4 bis 20,3 kg/m2). Dasselbe galt auch für die elfjährigen italienischen Mädchen. Ihr mittlerer BMI betrug 22,0 kg/m2, in den anderen Ländern lag die Spanne zwischen 18,2 und 20,3 kg/m2.

Die Wissenschaftler interessierten sich jedoch nicht nur für den Vergleich der Häufigkeit (Prävalenz) von Übergewicht und Adipositas, sondern insbesondere auch für den Einfluss frühkindlicher Faktoren auf die BMI-Entwicklung. Hier hatte der BMI der Mutter den stärksten Einfluss auf die BMI-Zunahme ihres Kindes. Dieser Zusammenhang bestand insbesondere in Italien, wo schon die Eltern einen vergleichsweise hohen BMI hatten. War eine Mutter in Italien mit einem BMI von 25 kg/m2 an der Grenze zum Übergewicht, so war der BMI ihres vierjährigen Kindes durchschnittlich 0,6 BMI-Einheiten höher als der eines Kindes, dessen Mutter mit ihrem BMI von 20 kg/m2 im Bereich des Normalgewichts lag. Dieser Unterschied wurde mit zunehmendem Alter größer. Bei zehnjährigen Kindern aus Italien war der BMI bereits im Mittel um 1,5 BMI-Einheiten erhöht. Außerdem wurde ein Zusammenhang zwischen der Gewichtszunahme der Mutter während der Schwangerschaft und dem Geburtsgewicht des Kindes beobachtet.

Diese Ergebnisse helfen uns, die Entwicklung des kindlichen Übergewichts besser zu verstehen„, erklärt die an der IDEFICS-Studie beteiligte Dr. Claudia Börnhorst vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS). „Darüber hinaus können unsere Ergebnisse zur Diskussion zwischen Gesundheitsexpertinnen und -experten sowie der Politik beitragen, wie dieses globale Problem effektiver angegangen werden kann.

Alles in allem konnten die untersuchten frühkindlichen Faktoren jedoch nur einen kleinen Teil der Unterschiede in der BMI-Entwicklung der Kinder erklären. Daher wird davon ausgegangen, dass neben genetischen Aspekten Unterschiede in der körperlichen Aktivität und im Ernährungsverhalten für die beobachteten deutlichen Unterschiede in der Häufigkeit von Übergewicht und Adipositas verantwortlich sind.

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verfasst von am 7. Juni 2016 um 06:03

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3 Kommentare zu “Kindliches Übergewicht im Ländervergleich: Früh übt sich…”

  1. Damian vom Gesund Blog sagt:

    Es ist im Grunde nicht ungewöhnlich dass so viele Kinder Übergewicht haben. Die Essensgewohnheiten ändern sich immer mehr in Richtung „Schnell muss es gehen“ und so werden in erster Linie Fertigprodukte bzw. Halbfertigprodukte verzehrt. So gesehen hilfreich, wer sich aber die Mühe macht und die Inhaltsstoffe begutachtet wird schnell feststellen das dort so viel Zucker enthalten ist das man das kaum einem Kind vorsetzen sollte. Mangelnde Bewegung ist meiner Ansicht nicht das schlagende Argument. Ich kenne und kannte Kinder die den ganzen Tag enorm viel Bewegung hatten und dennoch an Übergewicht litten. Ich sehe das Problem tatsächlich in der heutigen Ernährungsindustrie.

  2. Es ist interessant zu sehen, dass bei solchen statistischen Erhebungen doch auch immer wieder einige südeuropäische Länder einen hohen Anteil an übergewichtigen Personen aufweisen – wird die Mittelmeerkost doch als gesund bezeichnet und unser schweres deutsches Essen als das genaue Gegenteil (wobei auch Deutschland nicht stolz auf 1/5 übergewichter Kinder sein kann).
    Dies zeigt wieder deutlich, welch verschiedene Faktoren bei der Entstehung von Übergewicht eine Rolle spielen.
    Dabei wäre es besonders interessant zu wissen, ob der ermittelte Zusammenhang zwischen BMI der Mutter und des Kindes sich eher auf genetische Faktoren oder auf vorgelebte und erlernte Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten zurückführen lässt.

  3. Natalie sagt:

    Erschreckend, dass fast ein fünftel der Kinder in Deutschland übergewichtig sind. Wollen wir mal hoffen, dass die Schulen sich darum kümmern und die Kinder nicht als Erwachsene gesundheitliche Probleme durch das Übergewicht bekommen.

    Viele Grüße
    Natalie

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