Reifebeschleuniger in Obst und Gemüse – „Zeit ist Geld“

Autor/in: , Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit

Freitag, 28. Oktober 2011

Haben Sie Zuhause einen eigenen Gemüsegarten oder ziehen Sie sich eigene Tomatenpflanzen auf dem Balkon? Dann ist Ihnen vielleicht schon einmal aufgefallen, dass die einzelnen Früchte an einem Zweig selten gleichzeitig reif sind. Wieso kann man dann im Lebensmittelmarkt einheitlich rot gefärbte Rispentomaten kaufen? Dieser Frage gingen wir nach.

Paprika grün
© Sharon Hunter

Das Geheimnis liegt in so genannten Reifebeschleunigern, die zur gezielten Reifung von Obst und Gemüse eingesetzt werden. Ein Beispiel für einen solchen Stoff ist Ethephon. Wird Obst oder Gemüse mit einer Ethephonlösung behandelt, dringt der Wirkstoff tief in das pflanzliche Gewebe ein. Dort zerfällt er unter Freisetzung von Ethylen. Ethylen kommt als Wachstumshormon auch natürlicherweise in Pflanzen vor. In höheren Konzentrationen beschleunigt es den Reifungsprozess; Tomaten, Paprika, Trauben, Äpfel und Co. sind schneller genießbar.

Angesichts des Preisdrucks auf dem Lebensmittelmarkt sind Reifebeschleuniger für Lebensmittelerzeuger und Lebensmittelhandel eine lohnende Investition – insbesondere, wenn Mutter Natur nicht mitspielt: Als beispielsweise im Januar 2011 die spanische Paprika nicht schnell genug gelb und rot wurde, wurde künstlich nachgeholfen. Nur so konnte weiterhin der klassische Dreifarbenmix im Supermarkt angeboten werden. Die Umweltorganisation Greenpeace warnte in diesem Zeitraum vor Überschreitungen des gesetzlich zugelassenen Höchstgehalts von Ethephon in Paprika. In drei von insgesamt 30 Proben, die in allen bekannten Supermarktketten verteilt auf sechs Städten innerhalb Deutschlands gezogen wurden, wurden höhere Ethephonwerte nachgewiesen als erlaubt.

Hohe Ethephonaufnahmen können gesundheitsgefährdend sein, denn Ethephon kann bei Menschen Durchfall, starken Harndrang sowie Reizungen auf Haut und Schleimhäuten hervorrufen. Wird es in hohen Konzentrationen aufgenommen, sind sogar Nervenschädigungen möglich.

Paprika rot
© Sharon Hunter

Im Prinzip ist Ethephon EU-weit zugelassen. Bei welchen Obst- und Gemüsesorten es eingesetzt werden darf, obliegt jedoch den einzelnen Ländern. „In Deutschland liegen Zulassungen für Äpfel, Zwetschgen, Sauerkirschen und Getreide vor. In anderen europäischen Ländern kann die Zulassungssituation ganz anders sein“, erläutert Lebensmittelchemiker Dr. Heinzler vom Hessischen Landeslabor Kassel. Es kann also durchaus vorkommen, dass importierte Tomaten und Tafeltrauben aus den Niederlanden, Italien, Spanien oder Griechenland Ethephon enthalten (dürfen), während die Verwendung in Deutschland für diese Sorten nicht gestattet ist. Unabhängig davon gelten EU-weit einheitliche Grenzwerte, die nicht überschritten werden dürfen. Die Höhe der Grenzwerte richtet sich nach der Portionsgröße, die gewöhnlich von einer Obst- oder Gemüsesorte verzehrt wird. Zum Beispiel wird davon ausgegangen, dass eine Portion Tafeltrauben größer ist als eine Portion Blaubeeren. Der Grenzwert ist deshalb bei Blaubeeren 20mal höher als bei Tafeltrauben (20 mg/kg vs. 1 mg/kg).

Solange die Verwendung von Reifebeschleunigern im Erzeugerland erlaubt ist und die vorgeschriebenen Höchstmengen eingehalten werden, haben Lebensmittelerzeuger und -handel nichts zu befürchten. Die Entdeckung der Überschreitung der zugelassenen Höchstmengen von Greenpeace im Januar führte dagegen zu einer Rückrufaktion in einem der deutschen Discounter. Enthält Obst oder Gemüse Ethephon, lässt sich nur ein geringer Anteil davon durch das Waschen vor dem Verzehr entfernen, da das meiste Ethephon zu diesem Zeitpunkt bereits in das Obst bzw. Gemüse eingedrungen ist. Wer die Aufnahme von Reifebeschleunigern umgehen möchte, sollte möglichst saisonale Produkte aus der eigenen Region wählen oder Bioprodukte, zu deren Reifung generell kein Ethephon verwendet werden darf.

verfasst von am 28. Oktober 2011 um 06:51

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Ein Kommentar zu “Reifebeschleuniger in Obst und Gemüse – „Zeit ist Geld“”

  1. Stefan sagt:

    Interessant!
    Ich wusste gar nicht, dass Reifebeschleuniger eingesetzt werden, bzw. dass dies extra getan wird.
    Teilweise finde ich es sehr schade, dass die Früchte so früh geerntet werden, dass so teilweise der Geschmack verfällt. Aber so würden sie eben nicht pünktlich bei uns im Supermarkt in der Obst- und Gemüseabteilung liegen.

    Gruß

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