Wie Sport bei Depressionen hilft

Autor/in: , Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit

Dienstag, 5. Oktober 2021

Menschen mit schweren Depressionen können auf zweifache Weise von einem gezielten Bewegungsprogramm profitieren: Zum einen dämpft es die Depressionssymptome, zum anderen verbessert sich die Plastizität des Gehirns.

Die Depression wird zunehmend zu einer Volkskrankheit: In Deutschland erkrankt beinahe jeder Zehnte im Laufe seines Lebens an einer Depression. Und die Anzahl der betroffenen Menschen steigt weiter. An der Entstehung einer Depression sind psychische, äußere und genetische Faktoren beteiligt. Zu diesen zählen beispielsweise Konflikte, soziale Isolation, Stress, Überlastung im Alltag, die innere Uhr und jahreszeitliche Einflüsse.

Menschen mit einer Depression ziehen sich häufig zurück, sind antriebslos und werden oftmals körperlich inaktiv. Parallel dazu verringern sich bei Depressionen meist die Dichte der Synapsen im Gehirn sowie die Neuroplastizität. So bezeichnet die Fachsprache die Fähigkeit des Gehirns, sich an neue Erfahrungen anzupassen. „Die Veränderungsbereitschaft ist wichtig für alle Lern- und Anpassungsprozesse des Gehirns“, erklärt PD Dr. Karin Rosenkranz.

Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum und der Universität Bielefeld untersuchten, wie sich ein gezieltes Bewegungsprogramm bei Menschen mit einer Depression auf die Depressionssymptome sowie die Neuroplastizität des Gehirns auswirkt.

An der Studie nahmen 41 Menschen mit einer Depression teil, die klinisch behandelt wurden. Die Hälfte der Probanden absolvierte während ihres Klinikaufenthalts zusätzlich zu den psychologischen Therapien ein dreiwöchiges Bewegungsprogramm. Dieses Programm wurde speziell für sie entwickelt. Es war abwechslungsreich, enthielt spielerische Elemente, hatte aber keinen Wettbewerbs- oder Prüfungscharakter. Vielmehr erforderte es die Zusammenarbeit mit einem Partner oder der gesamten Gruppe. „So wurden gezielt auch Motivation und soziales Miteinander gefördert und Ängste vor Herausforderungen sowie negative Erfahrungen mit körperlicher Aktivität – Stichwort Schulsport – abgebaut“, erklärt Studienleiterin Rosenkranz.

Vor und nach der Bewegungsintervention ermittelte das Studienteam die Schwere der depressiven Symptomatik mit Hilfe von Fragenbögen, die die Probanden selbst sowie das Studienteam beantworteten. Außerdem bestimmten die Wissenschaftler die Neuroplastizität des Gehirns per transkranieller Magnetstimulation.

Nach drei Wochen stellten die Wissenschaftler deutliche Unterschiede zwischen den beiden Patientengruppen fest: Bei den Teilnehmern der Bewegungsgruppe hatten sich die Depressionssymptome stärker abgemildert als in der normalen Therapiegruppe. Erstere berichteten von deutlich weniger Ängsten, Entscheidungsunfähigkeit, Pessimismus und Antriebslosigkeit.

Parallel dazu zeigten sich auch Veränderungen im Gehirn der Probanden: Das gezielte Bewegungsprogramm hatte die Plastizität und Anpassungsfähigkeit des für Körperbewegungen zuständigen Hirnareals (Motorcortex) signifikant erhöht. Mit diesem Hirnareal sind viele weitere Netzwerke verknüpft, sodass die positiven Veränderungen ausstrahlten. Als Konsequenz verbesserte sich die bei einer Depression normalerweise verringerte Veränderungsbereitschaft des Gehirns spürbar.

„Je mehr die Veränderungsbereitschaft anstieg, desto deutlicher rückläufig waren die klinischen Symptome“
, berichtet Karin Rosenkranz. „Das zeigt, dass es einen Effekt von körperlicher Aktivität auf Symptome und Veränderungsbereitschaft des Gehirns gibt. Inwiefern die Veränderung der Symptome und die Veränderbarkeit des Gehirns kausal miteinander verknüpft sind, können wir aus diesen Daten nicht beantworten“, räumt Rosenkranz ein. „Es ist bekannt, dass körperliche Aktivität dem Gehirn gut tut, da sie zum Beispiel die Neubildung von Verbindungen von Nervenzellen fördert. Dies könnte durchaus auch hier eine Rolle spielen.“ Die neurologischen Veränderungen könnten sich wiederum günstig auf die depressiven Symptome auswirken.

„Die Ergebnisse zeigen, wie wichtig vermeintlich einfache Dinge wie körperliche Aktivität in der Behandlung und Vorbeugung von Erkrankungen wie Depressionen sind“, schließt Rosenkranz.

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verfasst von am 5. Oktober 2021 um 08:27

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