Adipöse Kinder schmecken anders
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Donnerstag, 29. November 2012
Geschmackswahrnehmung und Übergewicht
Kinder und Jugendliche mit Adipositas nehmen den Geschmack von Lebensmitteln anders wahr als normalgewichtige Gleichaltrige. Vielleicht ist dies mit eine Erklärung für die Hartnäckigkeit von Übergewicht bereits in jungen Jahren.
Man unterscheidet fünf Grundrichtungen des Geschmacks: Süß, sauer, bitter, salzig und umami. In früheren Studien wurde beobachtet, dass Geschmackserfahrungen in jungen Jahren und die Akzeptanz verschiedener Geschmacksrichtungen einen wichtigen Einfluss auf das Ernährungsverhalten von Menschen haben. Es gibt auch Hinweise, dass sich das Geschmacksempfinden von Menschen mit Adipositas von dem normalgewichtiger Menschen unterscheidet. Um diese Annahme zu überprüfen, konzipierten Wissenschaftler der Universitäten von Berlin und Dresden eine Studie zur Untersuchung des Geschmackssinns von Kindern und Jugendlichen. An der Studie nahmen 99 Kinder und Jugendliche mit Adipositas und 94 normalgewichtige Gleichaltrige im Alter von 6-18 Jahren teil. In zwei Versuchsdurchgängen sollten die Probanden verschiedene Geschmacksrichtungen auf Teststreifen erkennen und nach Intensität sortieren.
Generell zeigte sich, dass die Geschmacksrichtungen süß und salzig am häufigsten richtig zugeordnet wurden, wobei manche Teilnehmer allerdings wiederholt salzig mit bitter und umami verwechselten. Mädchen und ältere Teilnehmer erzielten vergleichsweise höhere Werte bei ihrem Geschmacksempfinden, während die ethnische Zugehörigkeit der Probanden keine Rolle spielte. Kinder und Jugendliche mit Adipositas schnitten bei den Tests signifikant schlechter ab als die Vergleichsgruppe mit Normalgewicht. In der Geschmacksrichtung süß zeigte sich außerdem, dass die Probanden mit Adipositas den Süßgeschmack bei gleicher Konzentration weniger süß wahrnahmen als die Teilnehmer mit Normalgewicht.
Bislang ist wenig über die Faktoren bekannt, die das Geschmacksempfinden prägen. Es wird davon ausgegangen, dass ein Wechselspiel aus genetischen, hormonellen und erlernten Faktoren letztendlich bestimmt, wie gut verschiedene Geschmacksrichtungen wahrgenommen werden.
Unter dem Strich sehen sich die Autoren in ihrer Annahme bestätigt, dass der Geschmackssinn von Kindern und Jugendlichen variiert, abhängig davon, ob diese normalgewichtig oder stark übergewichtig sind. Mit zunehmendem Alter verbessert sich bei Kindern und Jugendlichen normalerweise der Geschmackssinn. Die Beobachtung, dass dies bei Kindern und Jugendlichen mit Adipositas nicht der Fall ist, lässt darauf schließen, dass starkes Übergewicht und das Geschmacksempfinden interagieren.
Die bisherigen Ergebnisse weisen darauf hin, dass der Geschmackssinn viel empfindlicher ist für Veränderungen als bisher angenommen. Bislang fehlen allerdings Langzeitstudien, um zu verstehen, wie die beobachteten Unterschiede zustande kommen. Weitere Forschungsergebnisse in diesem Bereich sollen zur Vorbeugung von Übergewicht beitragen.
Quelle:
J. Overberg, T. Hummer, H. Krude, S. Wiegand (2012): Differences in taste sensitivity between obese and non-obese children and adolescents. Arch Dis Child, Onlinevorabveröffentlichung.
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 29. November 2012 um 07:22
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