Essverhalten - Präferenz und Aversion
Keine Vorlieben oder Abneigungen sind ausschließlich durch die Gene oder durch die Umwelt bestimmt. Es gilt jedoch, dass es schwieriger ist, genetisch bedingte Präferenzen zu verändern, als lernbedingte. Beispiele für genetisch bedingte Nahrungsmittelpräferenzen sind die Vorliebe für Süßes und Salziges. Auch die gesteigerte Vorliebe für intensiv schmeckende Lebensmittel mit zunehmendem Alter ist genetisch determiniert. Ursache dafür ist u. a. die physiologisch bedingte Abnahme der Geschmacksempfindlichkeit. Nahrungsmittelpräferenzen sind durch ernährungsbezogene Erfahrungen sowie soziale Konsequenzen einer Nahrungsaufnahme veränderbar. Ebenso kommen der Kultur und der Religion in diesem Zusammenhang eine große Bedeutung zu.
Auch Nahrungsmittelaversionen können unterschiedliche Ursachen haben. Manchmal werden auch aus Präferenzen, aufgrund bestimmter Ereignisse, Aversionen.
Präferenzen - Genetische Faktoren
Vorliebe für Süßes
Ein Experiment hat gezeigt, dass Neugeborene süße Flüssigkeiten dem reinen Wasser vorziehen. Die Bevorzugung war um so stärker, je höher die Glucose-Konzentration war. Unterschiede zwischen den Geschlechtern konnten nicht belegt werden.
Ein früher Kontakt ist aber keine Vorbedingung für eine Präferenz. Forscher zeigten, dass Kulturen, die ursprünglich ohne süße Lebensmittel lebten, eine Vorliebe für Süßes übernahmen, nachdem sie mit Süßem in Kontakt gekommen waren.
Die Präferenz für Süßes nimmt mit dem Alter ab. Dies kann aber auf lernbedingten Reaktionen beruhen. So könnte ein Auslöser z.B. die verstärkte Sorge über eine Gewichtszunahme und / oder ein ernährungsbewussteres Essen sein.
Vorliebe für Salz
Auch die Präferenz für Salz ist überwiegend genetisch bedingt, kann in ihrer Erscheinungsweise aber durch Umwelterfahrungen verändert werden.
Im Gegensatz zum Süßen wird Salz nicht von Geburt an bevorzugt, da Säuglinge erst ab dem vierten Monat Salz schmecken können. Ab diesem Zeitpunkt ziehen sie salzige Lösungen dem reinen Wasser vor. Sie wissen was salzig schmecken sollte und lehnen solche Speisen ab, die dies nicht im gewohnten Maß tun.
Obwohl der Appetit vom physiologischen Bedarf abhängig ist, ist ein starker physiologischer Bedarf keine notwendige Vorbedingung für den Verzehr großer Mengen Salz. Folglich führt die Vorliebe für Salziges dazu, dass die aufgenommene Salzmenge den Körperbedarf oft bei weitem übersteigt. Indem mehrere Wochen nur Speisen mit geringem Salzgehalt gegessen werden, ist es aber möglich, die bedarfsunabhängige Salzpräferenz erfahrungsabhängig zu verringern.
Präferenzen - Umweltbeiträge
Abgesehen von den genetisch bedingten Präferenzen ist das, was gemocht wird, Ergebnis eines sozialen Lernprozesses, wobei dem Beobachtungslernen eine wesentliche Funktion zugeschrieben wird. Der als angenehm bezeichnete sensorische Eindruck wird nicht kognitiv bewertet, sondern resultiert aus einer Gewöhnung eines zunehmend vertrauteren Geschmackseindrucks.
Kinder übernehmen die Vorlieben von Personen, mit denen sie zusammen essen. Außerdem entwickeln sie erhöhte Präferenzen für Nahrungsmittel, die ihnen als Belohnung gegeben werden oder die durch Zuwendung von Seiten Erwachsener begleitet sind.
Auch die Kultur, in der ein Mensch aufwächst, beeinflusst seine Präferenzen. Er lernt durch sie z.B. wann welche Speise wie gegessen wird (Temperatur, Zubereitungsform etc.). Zu den kulturellen Einflüssen gehören auch die Auswirkungen der sozialen Schichtzugehörigkeit. Der Mensch neigt dazu, häufiger solche Nahrungsmittel zu essen, die von Angehörigen der sozialen Schicht, der er gerne angehören würde, bevorzugt werden.
Auch indirekte Kontakte (z.B. TV-Werbung) können Präferenzen verändern. Experimente zeigen, dass die Bewerbung von Lebensmittel mit geringem Ernährungswert deren Vorliebe bei Kindern steigern ließ.
Im Zusammenhang mit Nahrungsmittelpräferenzen ist immer wieder vom "Mere-Exposure-Effekt" und von der "spezifisch-sensorischen Sättigung" die Rede. Während der Mere-Exposure-Effekt die Etablierung einer bestimmten Geschmackspräferenz durch Wiederholung beschreibt, besagt die spezifisch-sensorische Sättigung, dass eine Wiederholung gleichartiger sensorischer Eindrücke zu deren Abschwächung führt. Da sich die spezifisch-sensorische Sättigung sehr schnell entwickelt und lange stabil bleibt, bevor sie wieder absinkt, wird davon ausgegangen, dass sie von Empfindungen beim Essen kommt und nicht von Auswirkungen der Nahrung.
Der Mere-exposure-Effekt und die spezifisch-sensorische Sättigung greifen ineinander: Eine Speise wird nur dann zur Lieblingsspeise, wenn sie nicht zu häufig gegessen wird. Die Vorliebe für ein Lebensmittel wird also langfristig durch den Mere-Exposure-Effekt gefestigt, aber kurzfristig durch die spezifisch-sensorische Sättigung gemindert.
Aversionen
Es werden vier Typen von Nahrungsmitteln, die Aversionen auslösen können, unterschieden.
- Unangenehm schmeckende Nahrungsmittel: Diese würden die meisten ohne Vorbehalte essen, wenn der Eigengeschmack überdeckt oder verspätet festgestellt werden würde.
- Ungeeignete Nahrungsmittel: Stoffe, die als nicht essbar betrachtet werden.
- Gefährliche Nahrungsmittel: Solche, die körperlichen Schaden verursachen könnten, wenn sie gegessen würden.
- Ekelerregende Nahrungsmittel: Stoffe, die in der Regel niemand aufnehmen möchte.
Während eine Einstufung als "aversiv" bei den ersten drei Typen im Zusammenhang mit einem direkten Kontakt erfolgt, werden "ekelerregende Nahrungsmittel" aufgrund eines Erlebens der Reaktionen anderer als solche bezeichnet. Ferner können Lebensmittel als eklig klassifiziert werden, weil sie mit etwas Ekelerregendem in Kontakt gekommen sind (Kontiguitätsprinzip) oder weil sie in ihrem Aussehen etwas Ekelerregendem ähnlich sind (Similaritätsprinzip).
Durch bestimmte Ereignisse, wie z.B. eine plötzliche Übelkeit oder eine Erkrankung, können sich Präferenzen zu Aversionen wandeln. Hierbei gilt, dass sich Aversionen leichter gegenüber weniger bevorzugten Lebensmitteln entwickeln und sich auch auf Speisen, die dem mit der Erkrankung / Übelkeit verknüpften Nahrungsmittel ähnlich sind, übertragen.